Re: Was habt ihr im APRIL gelesen 2020 gelesen?
Verfasst: 30. Apr 2020, 22:13
Und hier kommt meine Liste auch noch heute ... *freu* ...
Ich habe gelesen:
01. Tiefer denn die Hölle von Peter Gallert und Jörg Reiter (04/2018)
Polizeiseelsorger Martin Bauer ist auf alles vorbereitet, als er zu dem Einsatz in einem stillgelegten Bergwerk eilt. Dort wurde eine Leiche gefunden, übergossen mit Honig. Bei ihrem Anblick ist Bauers Amtskollege, Polizeidekan Rüdiger Vaals, der die Beamten vor Ort betreuen sollte, mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen. Hat der Tote im Bergwerk etwas mit Vaals’ Vergangenheit zu tun? Bauers Suche nach der Wahrheit führt ihn zu einem sterbenden Mann und tausend Meter unter die Erde.
Note 1: Anschließend an den Klappentext führt die Wahrheit Martin Bauer nicht nur zu einem sterbenden Mann, sondern scheinbar zu einer ganzen Spur von Leichen. Wie hängt Bauers katholischer Kollege Vaals in der ganzen Sache mit drin … und was ist wahr an den Anschuldigungen, die man gegen ihn erhebt? Und wer zum Teufel ist Josef Hartwig? Mehr kann nun vom Inhalt aber wirklich nicht verraten werden ohne für die nächsten Leser zu viel preiszugeben …
Wie schon im Vorgängerband gräbt Bauer auch diesmal wieder viel tiefer als es sein Amt verlangt, geschweige denn erlaubt. Seine guten Verbindungen zum Kommissariat, im speziellen Verena Dohr, lassen ihm so manche Freiheit. Wieder einmal hat er sich in die Aufklärung des Falls regelrecht verbissen und riskiert so auch in diesem zweiten Band wieder den endgültigen Bruch mit seiner Tochter und seiner hochschwangeren Frau. Nach und nach tastet er sich an die Wahrheit, wohl wissend, dass er sich stets auf einer legalen/illegalen Gratwanderung befindet. Am Ende hat er den Fall gelöst, doch im Privaten steht mal wieder alles in den Sternen … ich hoffe doch sehr, dass wir hier mit einem dritten Band rechnen dürfen, liebes Autorenduo?
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02. Die Unwerten von Volker Dützer (02/2020)
Frankfurt am Main, 1939. Die vierzehnjährige Hannah bricht vor ihren Mitschülern in einem Krampfanfall zusammen. Bisher war es ihr gelungen, ihre Epilepsie zu verheimlichen, doch jetzt meldet ihr linientreuer Lehrer sie bei der Obrigkeit. Hannah gerät ins Visier des NS-Terrorapparates, denn die Nazis haben sich zum Ziel gesetzt, alles „lebensunwerte Leben“ zu vernichten. Hannahs Schicksal liegt nun in den Händen des Gutachterarztes Joachim Lubeck, einem gewissenlosen Opportunisten, der für seine Karriere über Leichen geht.
Note 1 mit Sternchen: Dieses wunderbare, wichtige und sehr bewegende Buch habe ich bereits vor einigen Tagen ausgelesen und musste es doch tatsächlich ein wenig sacken lassen, bevor ich eine Rezension verfassen konnte.
Der Klappentext reißt die im Roman stattfindende Handlung mit knappen Worten an und macht neugierig. Was er nicht verrät ist, dass die junge Hannah nicht nur mit ihrer Epilepsie zu kämpfen hat, nein, sie ist dazu auch noch Halbjüdin, das Kind einer jüdischen Mutter und einem unbekannten – wahrscheinlich - arischen Vater. Das Glück scheint ihr erst fast ein wenig in die Hände zu spielen, denn der Arzt Dr. Joachim Lubeck scheint einen Narren an ihrer Mutter Malisha gefressen zu haben. Doch Malisha ist stolz, sehr stolz sogar. Sie wird sich dem unsympathischen, ja fast schon widerlichen Lubeck nicht hingeben … so beginnt die grausame Odyssee des Mädchens Hannah. Hautnah erleben sie und ihre Mutter den Naziterror, der jedwedes „unwerte“ Leben auszulöschen versucht. Männer, die Gott spielen, sind an der Tagesordnung doch viele Frauen stehen ihnen in nichts nach.
Ganz gefesselt hing ich beim Lesen an Volkers Zeilen. Man spürt beim Lesen und auch beim Diskutieren des Stoffes in der Leserunde, dass ihm dieser Roman ein Herzensprojekt war, das bei Weitem nicht gleich auf Verständnis in seinem Umfeld stieß. Zu grausam um als Romanstoff dienen zu könnem. Doch der ehrgeizige und in meinen Augen sehr talentierte Autor ließ sich nicht von seinem Plan abbringen. Ich bin ihm sehr dankbar dafür. In rasantem Tempo wurde ich beim Lesen durch eine Themenwelt geschleust, die mich erschaudern ließ und mir immer mal wieder Tränen in die Augen zauberte. Eine wunderbare Recherche, an der Herr Dützer den Leser im Nachgang teilhaben lässt, rundet das Buch ab. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön. Der Autor hat uns verraten, dass noch zwei weitere Bände um Hannah, ihre Freunde aber auch ihre Feinde geplant sind … das erweckt Vorfreude in mir. Ich freue mich auf ein Wiedersehen!
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03. An jenem Tag von Jacquelyn Mitchard (07/2010)
Nachdem ihre beiden Schwestern einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind, kann für die zwölfjährige Ronnie nichts wieder werden, wie es war. Egal, wie viel Glück sie in den kommenden Jahren erfährt – ein Gefühl der Leere und auch des Zorns bleibt. Während ihre Eltern irgendwann die Kraft aufbringen, dem Täter zu vergeben, wächst in Ronnie der Wunsch nach Rache… Ein ebenso erschütternder wie fesselnder Roman über Schuld, Rache und Vergebung.
Note 2: Na, das war ja mal eine Achterbahn der Gefühle, puh, hat mir sehr gut gefallen …
Die Geschichte beginnt, wie schon der Klappentext verrät, mit den grausamen Morden an Veronicas beiden kleinen Schwestern Becky und Ruth. Während eines Versteckspiels lässt sie die Beiden nur Minuten aus den Augen um schließlich an einen mit Blut getränkten Ort des Grauens zurückzukehren. Verständlicherweise wird das Leben der Familie nie wieder dasselbe sein. Vater, Mutter und die große Schwester trauern jeweils auf ihre eigene Weise. Veronica, die von allen nur Ronnie genannt wird, scheint die Vernünftigste der drei Bonhams zu sein. Während die Mutter sich tage- und wochenlang in ihr Bett verkriecht und der Vater nachts schlaflos durch die Zimmer tigert, kümmert sich Ronnie liebevoll um ihren neuen kleinen Bruder und den Haushalt. Nur sehr, sehr langsam normalisiert sich die Familie wieder und auch dank ihres Glaubens – sie sind Mormonen und gehören somit der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an, gelingt es den Eltern dem Mörder Scott Early zu verzeihen. In diesem Moment bricht für Ronnie eine Welt zusammen und sie reißt aus. Sie flieht in die Nähe von San Diego, wo der Mörder inzwischen mit seiner eigenen kleinen Familie ein neues Leben begonnen hat. Die Tragödie scheint vorprogrammiert …
Ich muss gestehen, etwa die Hälfte des Buches plätscherte für mich so vor sich hin. Da ich annahm das Ende voraussehen zu können, wollte ich schon abbrechen. Was bin ich froh, durchgehalten zu habe. Die Geschichte nimmt schließlich solch einen berührenden und unvorhersehbaren Verlauf, dass ich sie fast mit angehaltenem Atem und definitiv mit ein paar Tränchen in den Augen beendete. Das Durchhalten hat sich gelohnt. Leider reicht es aufgrund der genannten Längen nicht ganz für die Bestnote, aber eine Empfehlung möchte ich dennoch aussprechen. „Every cloud has a silver lining“ hat selten besser zu einer Geschichte gepasst als zu dieser.
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04. Die Königin von Berlin von Charlotte Roth (03/2020)
Wo sie auftritt, jubeln die Menschen der geheimnisvollen Carola Neher zu. Berlin liegt ihr zu Füßen in jenen letzten Jahren der Weimarer Republik. In durchfeierten Nächten verdreht sie einem berühmten Mann nach dem anderen den Kopf – doch im Herzen bleibt sie allein. Das ändert sich, als sie dem Dichter Klabund begegnet, ein Suchender und ein Getriebener wie sie selbst. Ausgerechnet sie, die begehrte femme
fatale, verliebt sich in den scheuen, zurückhaltenden Dichter, der von der gleichen inneren Glut verzehrt wird wie sie selbst. Was keiner für möglich gehalten hätte, tritt ein: Sie heiratet ihn. Doch eine brave Ehefrau wird Carola nicht, denn schon bald lockt sie das wilde Leben – und die Künstler Berlins, darunter Bertolt Brecht, der ihr die Chance ihres Lebens bietet …
Note 3: Vorab möchte ich sagen, dass ich riesengroßer Fan von Charlotte Roth und ihren Büchern bin. Ich habe wirklich fast jedes Buch von ihr verschlungen und sie auch schon direkt angeschrieben um ihr mein großes Lob für spannende Lektüre auszusprechen. Natürlich versprach ich mir auch von diesem Roman wieder viel, angezogen wurde ich zunächst durch das wunderschöne Cover, das die hübsche Carola Neher mit einem Leoparden zeigt.
Die Geschichte ist äußerst interessant aufgebaut indem Charlotte für den Leser eine Art Theaterstück in drei Akten inszeniert. Vor und nach jedem Akt gibt es eine kleine Reise in die Pfalz zu einer Frau namens Annette, einer Bibliothekarin und Leiterin des dortigen Heimatmuseums. Lasst euch überraschen, wie sie mit Karoline, wie Carola mit Geburtsnamen hieß, zusammenhängt.
Carola, ihren Bruder Jo Jo und ihre Mutter lernen wir gleich zu Anfang der Geschichte in München kennen. Der Vater ist bereits verstorben und die Mutter versucht sich mehr schlecht an der Erziehung der beiden jungen Menschen. Eine Banklehre soll sie machen, die wilde Karoline, ausgerechnet sie, die sich immer nur als Schauspielerin sah. Dass sie aus dieser spießigen Enge ausbricht, ist wohl damals schon vorprogrammiert gewesen. So nimmt sie dann auch bald Reißaus und landet über Umwege unter anderem über Breslau nach Berlin. Immer treu zur Seite steht ihr mittlerweile Klabund, der Dichter und Lyriker Alfred Henschke. Doch sie kann einfach nicht die brave Ehefrau spielen und lässt sich unter anderem mit dem Dramatiker Bertold Brecht ein …
Es ist ein wirklich aufregender Werdegang, den Carola da beschreitet. Warum dann kann ich nur drei Sterne vergeben? Weil ich irgendwie nicht richtig warm wurde mit ihr, der Femme Fatale, die das Leben in vollen Zügen genießen möchte. Auch Brecht wirkt auf mich unsympathisch und egoistisch, lediglich der kranke Klabund hat mein volles Mitgefühl und meine Sympathie. Als Dreiergespann können sie jedoch nur scheitern. Schade eigentlich, denn ich habe beim Lesen gespürt, dass die Autorin – gemeinsam mit ihrem Vater – viel Herzblut in den Roman gepackt hat. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich unterschiedlich und so wünsche ich dem Buch und der Autorin noch viele begeisterte Leserinnen und Leser.
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05. Wir holen alles nach von Martina Borger (03/2020)
Job und Kind unter einem Hut – die alleinerziehende Sina jongliert damit seit Jahren. Seit kurzem wird sie von ihrem neuen Partner Torsten dabei unterstützt. Und sie haben Ellen, Ende sechzig, die sich für Nachhaltigkeit einsetzt und das hat, was sich Sinas Sohn Elvis so wünscht: Zeit, Geduld – und einen Hund. Doch dann widerfährt dem sensiblen Jungen etwas Schlimmes. Da er sein Geheimnis nicht preisgibt, spinnt sich ein fatales Netz aus Gerüchten um die kleine Patchworkfamilie.
Note 2-3: Der Klappentext deckt den Inhalt dieses Buchs im Grunde genommen hervorragend ab. Was er dem Leser natürlich nicht vermitteln kann, sind die Gefühle, Probleme aber auch Glücksmomente, die die Protagonisten mit sich herumtragen. Da haben wir zum Beispiel Sina, die seit Jahren mit Schuldgefühlen kämpft, da sie im Alltag ihrem Sohn Elvis zeit- aber auch kraftmäßig nicht gerecht werden kann. „Wir holen alles nach“ scheint da Pseudoversprechen Nummer eins zu sein. Und was ist mit Ellen, die plötzlich feststellen muss, dass „Wir holen alles nach“ auf sie oft nicht mehr zutreffen wird. Sie ist nämlich im letzten Abschnitt ihres Lebens. Umso schöner scheint es daher für Elvis, Sina und Ellen, dass sie ein Stück des Weges gemeinsam gehen dürfen und dies wunderbar zu funktionieren scheint bis zu dem Tag, der das junge Leben von Elvis auf den Kopf stellt …
Auf einfühlsame Weise sucht die Autorin Martina Borger die Leben der Protagonisten nach Vorkommnissen ab. Was ist passiert? Warum darf Elvis nichts sagen? Welches Versprechen wurde ihm da abverlangt? Auf subtile Weise verführt sie uns zugleich dazu uns eine Meinung zu bilden, die wenig fundiert ist und aufzeigt, wie leicht die Menschen zu manipulieren sind. Die Geschichte endet schlussendlich in einer Art Happy End, das keineswegs eine heile Welt vorspielt und absolut kitschfrei ist. Gut gemacht, Frau Borger, aber an manchen Stellen hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht. Ich finde, hundert Seiten mehr hätten dem Buch gut getan.
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06. Die Schwestern vom Ku’Damm: Tage der Hoffnung von Brigitte Riebe (04/2020)
Berlin 1958: Farben und Formen, Augenblicke eingefangen in Bleistift und Papier. Seit sie denken kann, will Florentine Thalheim nur eines: sich ganz der Malerei und dem Zeichnen hingeben, erst recht, seit sie bei einem Aufenthalt in Paris die Werke der ganz großen Künstler bestaunen konnte. Doch die jüngste von drei Töchtern hatte schon immer einen rebellischen Geist, mehr als eine Ausbildung zur Dekorateurin hat sie nicht vorzuweisen. Während ihre Eltern und die älteren Schwestern Rike und Silvie hoffen, dass sie ihr Talent eines Tages für das Familienunternehmen, das Kaufhaus Thalheim am Ku'damm, einsetzen wird, träumt Florentine weiterhin den wagemutigen Traum, an der Berliner Kunstakademie angenommen zu werden…
Note 1 mit Sternchen: Wie schon „Jahre des Aufbaus“ und „Wunderbare Zeiten“ war auch dieser letzte Band der Trilogie rund um die Familie Thalheim mal wieder ereignisreich und spannungsgeladen. Gleich zu Anfang möchte ich als kleinen Tipp für zukünftige Leser anführen, hier dringend die Reihenfolge einzuhalten und unbedingt mit Band eins zu beginnen.
Doch nun zu eben jenen Band drei. In diesem leider schon letzten Band der Trilogie steht die jüngste der drei Thalheim Schwestern im Mittelpunkt. Flori, frisch aus Paris zurückgekehrt, versucht in Berlin ihren Weg zu gehen. Ein Kunststudium wäre ihr absoluter Traum, doch wird sie an der elitären Kunstakademie aufgenommen werden? Sie hat Talent, Energie und vor allem ihren Stolz, der ihr aber mehr als einmal im Weg stehen wird. Was ihr vorerst fehlt ist Geld und weil es ihr der genannte Stolz verbietet bei ihren Eltern nachzufragen, kommt sie vorübergehend bei ihrer Cousine Franzi unter, die zwar viel Platz aber auch einen unliebsamen Mitbewohner hat. Doch Flori ist hartnäckig und will so schnell nicht aufgeben, schon fast verbissen erkämpft und „ermalt“ sie sich ihre Bleiberecht in der Kunstszene. Aus dem trotzigen Teenager ist über die letzten Jahre eine mutige junge Frau geworden, doch auch sie ist nicht gefeit gegen die falsche Liebe, die ihr kurz den Boden unter den Füßen zu ziehen zu scheint …
Auf der Reise durch die späten 50er und frühen 60er Jahre habe ich mich riesig gefreut, auch den Rest der Familie wieder sehen zu dürfen. Vater Friedrich Thalheim mit seiner warmherzigen Frau Claire, die beiden großen Schwestern Rike und Silvie samt Familien, Onkel, Tante und Cousinen aus dem Osten und, und, und. Und in der Tat gab es wieder einige Geheimnisse zu lüften, einige Tränen zu vergießen und einige Kämpfe auszufechten. Gute Freunde begleiten den Weg der Familie Thalheim darunter auch der junge Fotograf Benka, der seinen ganz eigenen Charme einfließen lässt. Ist er am Ende gar der richtige Mann für Flori?
Neben der Familiengeschichte lässt Brigitte Riebe uns aber auch teilhaben am allgemeinen Geschehen der damaligen Zeit. Es muss ganz schön geknistert haben zu Zeiten des Mauerbaus, der Kubakrise und der Inselbildung von Berlin-West. Die Menschen gehen auf die Straße, Jungkanzler Willy Brandt und schließlich der charismatische US-Präsident John F. Kennedy geben sich die Ehre. Peggy and the Crazy Creatures und die Beatles bescheren uns was für Ohren und das Modehaus Thalheim natürlich wunderbare Kleider für die Augen. Eine rundum gelungen Mischung aus Fiktion und wahrer Geschichte.
Diesen dritten Band hast du mal wieder eins A Spitzenklasse hinbekommen, liebe Brigitte. Nicht selten läuft es ja bei Trilogien so ab: erster Teil großartig, zweiter Teil schwächer aber auch noch gut, dritter Teil naja, kann man, muss man aber nicht. Nicht so bei dir. Dadurch dass jeder Band einer anderen Schwester gewidmet war, konnte die Geschichte eine Eigendynamik entwickeln, die mich als Leser einfach abholte und mit riss ... dafür danke ich dir von Herzen und freue mich auf ein Wiedersehen mit den Thalheims am Ku’Damm in der Weihnachtszeit.
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07. Das Nordseegrab von Tilman Spreckelsen (04/2015)
DICHTER, ANWALT, ERMITTLER - Theodor Storm und sein geheimnisvoller Gehilfe Söt in Husum: Ein Nordseeküstenkrimi voller Spannung und historischer Atmosphäre.
Husum, 1843: die Stadt ist in Aufregung. Ein Bottich voll Blut, darin eine Leiche, die sich als Wachspuppe erweist. Wenig später wird ein echter Toter gefunden. Der junge Anwalt Theodor Storm spürt dem Rätsel nach, in alten Dorfkirchen und vor den Deichen Husums. Ihm und seinem geheimnisumwobenen Schreiber Peter Söt schlägt die ohnmächtige Wut armer Bauern entgegen, und das arrogante Schweigen der Reichen. Bis er auf ein fast vergessenes Schiffsunglück stößt, auf eine alte Schuld und einen Mörder, der diese Schuld eintreiben will.
Note 2-3: Fast jeder wird schon einmal von Theodor Storm gehört haben, zu dessen bekanntesten dichterischen Werken wohl „Der Schimmelreiter“ gehört. Weniger bekannt dürfte die Tatsache sein, dass er neben seinen dichterischen und musikalischen Aktivitäten auch eine Anwaltskanzlei betrieb. Er hatte zu Lebzeiten eine immerhin zehnköpfige Familie zu ernähren, das Geld dazu war sicher nicht nur mit der Kunst verdient. So ergab es sich dann wohl auch, dass der Zufall ihm den Schreiber Peter Söt in die Amtsstube spülte, der ihm bei der Aufklärung und Verteidigung verschiedener Fälle zur Hand gehen sollte. Als jedoch die erste Leiche auftaucht, spüren Beide, dass sich dahinter mehr als nur ein einfacher Mord verbirgt. Gemeinsam machen sie sich auf die Spurensuche und müssen mehr als einmal um ihr eigenes Leben bangen …
Soweit so gut, das hört sich spannend an. War es auch, bis der Autor sich im mittleren Drittel des Romans ein wenig zu verzetteln schien. Ich gebe zu, ich wusste streckenweise nicht mehr, wer gut und wer böse war und wer mit wem zusammenhing. Im letzten Drittel bekommt er jedoch wieder die Kurve um die Geschichte mit einer so stimmigen Aufklärung zu beenden, dass ich direkt Lust auf den nächsten Band bekommen habe. Was Herr Spreckelsen jedoch ganz großartig hingekriegt hat ist dem Leser die Stimmung der damaligen Zeit im abgelegenen Husum zu vermitteln. Ich fühlte mich fast zurückversetzt in die Mitte des 19. Jahrhunderts, in die dunklen Kneipen und das geheimnisvolle Moor. Auch hat es riesig Spaß gemacht Theodor Storm beim Sammeln seiner Geschichten, Gedichte und Lieder zuzuschauen und zuzuhören. Er muss schon ein etwas besonderer Kautz gewesen sein. Gerne hätte ich ihm mal persönlich die Hand geschüttelt.
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08. Brick Lane von Monica Ali (07/2005)
Was bedeutet eigentlich Schicksal? Nazneen, in den ärmsten Verhältnissen in Bangladesch aufgewachsen, wird mit 19 Jahren verheiratet und ins ferne England geschickt. Ohne Englischkenntnisse landet sie in der Brick Lane, dem »Klein-Indien« von London, bei einem ihr völlig fremden Ehemann. Chanu ist gut zu ihr, doch aus ihrer Wohnung kommt sie selten raus. Gegen seinen Widerstand lernt sie schließlich Englisch und nimmt eine Arbeit als Näherin an. Ganz langsam, mit Hilfe ihrer Töchter und getragen von ihrer natürlichen Lebensklugheit, verlässt Nazneen den ihr vorbestimmten Weg.
Note 3: Was muss es für ein Kulturschock gewesen sein, als ihr Vater die junge Nazneen aus Bangladesch ins ferne England verheiratet. Anders als ihre rebellische Schwester hatte sie zuvor noch nie ihr Heimatdorf verlassen. Doch Chuna, ihr mehr als doppelt so alter Ehemann, ist für bengalisches Empfinden gut zu ihr, er schlägt sie nicht und ist furchtbar gebildet – das glaubt er zumindest. Er hält sie jedoch wie einen gefangenen Vogel im Käfig. Sie sitzt zu Hause, starrt die Wände an in der vollgestellten Wohnung und wird immer einsamer während Chanu in vergeblich auf seine bevorstehende Beförderung wartet, und wartet und wartet. Mit der Zeit scheint sich eine wundersame Veränderung einzustellen … Nazneen holt sich Rat von Gleichgesinnten und während sich das Leben für sie ein wenig verbessert, fällt ihr Mann in eine sich selbst beklagende Depression aus der kein Entrinnen scheint …
Endlich, endlich hatte ich mir dieses Buch aufgrund einer „Gemeinsam Lesen Runde“ aus dem SUB gezogen, wo es seit Jahren vor sich hinschlummerte und mich immer wieder mahnend anzusehen zu schien. Trotz der spannenden Vorlage jedoch zog sich das Buch ein wenig wie Kaugummi. Aus zwei Sichtweisen schildert die Autorin das Leben der beiden ungleichen Schwestern Nazneen und Hasina. Hasinas Leben erleben wir durch einen Briefwechsel von Dhaka nach London, das von Nazneen dagegen in Echtzeit. Geschickt gemacht kommt der Roman aber ein wenig sperrig und an manchen Stellen schwer verständlich daher. Meine Lesepartnerin und ich haben durchgehalten und auf ein befriedigendes Ende gehofft, das sich dann aber in meinen Augen sehr enttäuschend gestaltete. Schade, der Stoff hätte mehr hergegeben und ist sogar verfilmt worden. Von mir gibt es diesmal keine wirkliche Leseempfehlung. Vielleicht kann der nächste Leser mehr damit anfangen. Das Buch wandert die Tage in ein öffentliches Leseregal.
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09. Die Schule am Meer von Sandra Lüpkes (03/2020)
Juist, 1925: Voller Ideale gründet eine Gruppe von Lehrern am äußersten Rand der Weimarer Republik ein ganz besonderes Internat. Mit eigenen Gärten, Seewasseraquarien und Theaterhalle. Zu der eingeschworenen Gemeinschaft gehören: die jüdische Lehrerin Anni Reiner, der Musikpädagoge Eduard Zuckmayer, der Schüler Maximilian sowie die resolute Insulanerin Kea, die in der Küche das Sagen hat. Doch schon bald kommt es zu Streit zwischen den Lehrkräften und mit den Insulanern, bei denen die Schule als Hort für Juden und Kommunisten verschrien ist. Im katastrophalen Eiswinter von 1929 ist die Insel wochenlang von der Außenwelt abgeschlossen. Man rückt ein wenig näher zusammen. Aber kann es Hoffnung geben, wenn der Rest der Welt auf den Abgrund zusteuert?
Note 1-2: Mit diesem Roman „Die Schule am Meer“ hat mir die Autorin mal wieder ein Stück Geschichte mit auf den Weg gegeben, von dem ich bis dato noch nie gehört hatte. Tatsächlich musste ich mich im Atlas erstmal schlau machen, wo genau dieses kleine Stück Land Juist zu finden ist. Sandra Lüpkes, selbst auf der Insel Juist aufgewachsen, war über die Jahre neugierig auf die Geschichte der „Schule am Meer“ geworden und so entstand die Idee zu diesem wunderbaren Buch, das ihre kurze jedoch sehr ereignisreiche Zeit schildert, die in großen Teilen auf wahren Tatsachen beruht. Es war eine ganz besondere Privatschule, die ihr Hauptaugenmerk auf bildende und gestalterische Kunst legte. Gemeinsames Musizieren, rezitieren und Körperertüchtigung prägten ihren Alltag. Die Erziehung gestaltete sich frei und offen, alle duzten sich und die Kinder sprachen die Lehrkräfte mit Vornamen an. Sie sind wie eine große Familie, was bei der Abgeschiedenheit auch bitter notwendig für den Zusammenhalt war. Doch die einheimischen Inselbewohner stehen den Fremden kritisch gegenüber. Als die politische Stimmung schließlich zugunsten der Nationalsozialisten umschlägt, scheint die Katastrophe vorprogrammiert …
Die Autorin basiert ihren Roman auf dem knapp 800 Seiten schweren Logbuch einer der Schulgründer namens Martin Luserke, der unter anderem mit dem Ehepaar Annie und Paul Reiner im Mai 1925 den Schulbetrieb auf Juist aufnahm. Sie lässt in die Tatsachen hier und da ein wenig Fiktion einfließen und zaubert so eine Geschichte, die fasziniert und berührt. Sie schafft es durch ihre Beschreibungen der an vielen Stellen kargen und rauen kleinen Insel die Atmosphäre derselben zu vermitteln. Ein halbes Sternchen möchte ich von meiner erstklassigen Bewertung jedoch abziehen, da an einigen Stellen ein wenig mehr Gefühl gutgetan hätte. Dennoch von mir eine absolute Leseempfehlung für „Die Schule am Meer“, die in ihrer kurzen aktiven Zeit sicher so manches junge Leben nachträglich geprägt hat. Leider war sie mit der Ideologie der neuen Machthaber nicht vereinbar und musste so nach nur knapp neun Jahren im Jahr 1934 ihre Pforten schließen.
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10. Goodbye Leningrad von Elena Gorokhova (11/2011)
Lena wächst in einem typisch sowjetischen Wohnblock auf: Die Fassade bröckelt, die Mülltonnen im Hof quellen über, in der Wohnung trocknen neben der Wäsche auch die im Wald gesammelten Pilze. Schon früh lernt sie, wie wichtig es ist, ihre wahren Gedanken und Gefühle für sich zu behalten. Vor allem wenn man sich wie Lena in die Sprache des Klassenfeindes verliebt hat: Der Englischunterricht wird zum Fenster in eine andere Welt. Als der amerikanische Gaststudent Robert ihr einen Heiratsantrag macht, zögert Lena nicht lange: Mit 20 Kilo Gepäck checkt sie ein in ein neues Leben.
Note 1-2: Wow, beeindruckend! Nachdem ich mich anfangs ein wenig wunderte, wie die ganzen Lobeshymnen im Netz so zustande gekommen sind, war es mir spätestens nach dem ersten Drittel klar. Mit klaren Worten und einer unwahrscheinlichen Authentizität lässt uns Lena an ihrem Leben in der ehemaligen Sowjetunion, im speziellen in Leningrad, teilhaben. Während sie sich im ersten, bereits angesprochenen, Drittel auf Erzählungen anderer berufen muss – sie war ja noch ein Kind, bzw. noch gar nicht geboren, nimmt das Buch dann mit ihren eigenen Gedanken und Worten rasant an Fahrt auf.
Bereits in ihrer frühesten Jugend verliebt sich Lena, die aus einer gebildeten, wenn auch nicht reichen Familie stammt, in die englische Sprache und lässt sie sich schon fast verbissen von verschiedenen Lehrkräften näherbringen. Sie ist, wie auch ihre Mutter und Schwester, sehr ehrgeizig und so schafft sie es schon in der schulischen Mittelstufe als jugendliche Fremdenführerin in die glückliche Lage, Gastschüler durch ihr Leningrad führen zu dürfen. Doch sie spürt dadurch auch schnell den Unterschied zwischen dem Leben in Ost und West. Als sie schließlich viele Jahre später durch wiederum Gaststudenten den Texaner Robert kennenlernt, fasst sie mit einem weinenden und einem lachenden Auge den Entschluss, nach Amerika zu emigrieren …
Wie habe ich es genossen, durch ihre Augen das wahre Leningrad erleben zu dürfen. Das Leningrad, dass mir und meinem Mann als Touristen verborgen blieb. Viele der beschriebenen Örtlichkeiten habe ich wiedererkannt, vieles war und wird mir wohl immer fremd bleiben. Dennoch habe auch ich mich bei meinem Besuch – genau wie Lena – in die Stadt verliebt, die sich heute wieder stolz St. Petersburg nennen darf!
Eine Autobiografie vom Feinsten für alle, die sich für diesen Teil des Erdballs interessieren. Von mir eine klare Leseempfehlung und Bereicherung.
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Ich habe gehört:
01. Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert von Joel Dicker (10/2014)
Ein Skandal erschüttert das friedliche Städtchen Aurora an der amerikanischen Ostküste: 33 Jahre nachdem die zauberhafte Nola dort spurlos verschwand, taucht sie wieder auf. Als Skelett im Garten ihres einstigen Geliebten, des hochangesehenen Schriftstellers Harry Quebert.
Als Harry Quebert verhaftet wird, ist der Einzige, der noch zu ihm hält, sein ehemaliger Schüler und Freund Marcus Goldman, inzwischen selbst ein erfolgreicher Autor. Überzeugt von der Unschuld seines Mentors – und auf der Suche nach einer Inspiration für seinen nächsten Roman – beginnt Goldman auf eigene Faust im Fall Nola zu ermitteln …
Note 3: Dieses Hörbuch bekam aus meinem Bekanntenkreis viele Vorschusslorbeeren. Mit entsprechend hoher Erwartung machte ich mich dann auch ans Werk. Das über 20 Stunden lange Hörbuch kann getrost als solches bezeichnet werden.
Es geht in dem Roman des schweizerischen Autors Joël Dicker in erster Linie um den jungen Schriftsteller Marcus Goldman und den inzwischen inhaftierten Autor Harry Quebert, der vor 30 Jahren seinen Erfolg feiern durfte und um den es in der Zwischenzeit still geworden war. Ein neuer Schreiberfolg wollte sich weder über die Jahre bei ihm noch gegenwärtig bei seinem ehemaligen Schüler Goldman einstellen. Nun, des Mordes an der jungen Nola Kellergan bezichtigt, gibt es nur einen Menschen, der von Queberts Unschuld überzeugt ist, Marcus Goldman aus New York. Dieser fängt an, eigene Ermittlungen anzustellen und deckt ein Geheimnis ums andere auf. Auf einmal scheint nichts mehr so zu sein, wie es anfangs schien … könnten diese Ermittlungen Goldman so ganz nebenbei auch einen neuen Bucherfolg bescheren?
An sich ist das ja durchaus Material für einen spannenden Roman, doch in meinen Augen hat Dicker alles ein wenig übertrieben. Viel zu lang müssen wir uns als Zuhörer anhören, dass Quebert in Goldmans Augen unschuldig ist. Viel zu lang schießen alle anderen Beteiligten dagegen. Als man schließlich als Hörer kurz vor dem Wachkoma steht, kommt endlich Bewegung in den Fall. Die Ereignisse überschlagen sich und es präsentieren sich mehr als ein möglicher Täter. Man hat als Hörer direkt Mühe hinterher zu stolpern. Trotz der sehr angenehmen Vortragsweise durch den Schauspieler und Hörbuchsprecher Torben Kessler konnte das Hörbuch meine Erwartungen leider nicht ganz erfüllen. Vielleicht hätte hier ausnahmsweise mal eine gekürzte Version gutgetan.
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02. Sonntags Tod von Carla Berling (11/2017)
Wenn die westfälische Idylle zum Albtraum wird ...
Lokalreporterin Ira Wittekind ist gerade erst in ihre westfälische Heimat zurückgekehrt, als eine schreckliche Nachricht sie erreicht: Ihre Schulfreundin Verena ist tot, ermordet von ihrem Mann Richard. Direkt nach dem Mord hat der angesehene Hotelier sich selbst das Leben genommen. Kurz darauf ist Ira Zeugin, als ein Toter in einer verwahrlosten Wohnung gefunden wird. Durch ein kleines Detail wird sie auf einen möglichen Zusammenhang zwischen den Todesfällen aufmerksam. Und ihr wird klar, dass hinter der idyllischen Fassade der Provinz ungeahnte Abgründe lauern ...
Note 2: Zunächst scheinen die drei Todesfälle, die in Bad Oeynhausen, der westfälischen Heimatstadt der Lokalreporterin Ira Wittekind auftreten, in keinem offensichtlichen Zusammenhang zu stehen. So ist es dann auch reiner Zufall, dass Ira in der stinkenden und verwahrlosten Wohnung eines toten Messies zugegen ist. Eigentlich war sie doch nur für die Beerdigung ihrer Schulfreundin Vera in der Stadt. Doch nach und nach ergeben sich immer mehr Details, die auf mehr als ein Verbrechen schließen lassen. Die drei Opfer stehen wohl in einem völlig unerwarteten Verhältnis zueinander. Ira versucht der Wahrheit auf den Grund zu gehen und zieht fast unglaubliche Geschichten der Vergangenheit ins Licht der Gegenwart …
Mit viel Liebe zum Detail zeichnet die Autorin Carla Berling ihre Protagonisten und vermittelt dem Hörer dadurch ein Gefühl der Vertrautheit. Fast scheint es, als arbeite man als Hörer seine eigene Vergangenheit auf. Hier geht es um mehr als Kindheits- und Jugenderinnerungen. Der Roman zeigt auf wie das „Unter den Teppich kehren“ unschuldige Kinder und Erwachsene gleichermaßen für das ganze weitere Leben deformieren kann.
Dieses leise und doch aufwühlende Buch ist für mich eine Mischung aus Krimi und Roman. Ein Roman, der sich mit den Gefühlen, Nöten und Ängsten der Charaktere auseinandersetzt und gleichzeitig ein Krimi, der zur richtigen Zeit immer wieder Spannungsmomente einstreut, die das Weiterhören zum Genuss machen. Erst am Ende formieren sich beide Elemente zu einem starken Ganzen.
Da dies der Auftakt zu einer für mich neuen Krimireihe ist, freue ich mich schon auf die nächsten Fälle, in die Ira wahrscheinlich wieder eher unfreiwillig verwickelt werden wird. Wie gut, dass die schon auf meinem SUB liegen …
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03. Black Rabbit Hall von Eve Chase (02/2016)
Auf Black Rabbit Hall, dem Sommersitz der Familie Alton, passiert normalerweise nicht viel. Bis zu einem stürmischen Abend 1968: Da stellt eine Tragödie die Verbundenheit der vier Alton-Geschwister auf eine harte Probe. Jahrzehnte später stoßen Lorna Smith und ihr Verlobter auf der Suche nach einem Ort für ihre Hochzeitsfeier auf ein verfallenes, aber wunderschönes Haus. Nach und nach verrät es Lorna seine schönsten Geschichten und traurigsten Momente ...
Note 2-3: Dieser Roman folgt einem derzeit beliebten Schema. Man nehme ein altes Anwesen, eine neugierige junge Frau und ein gut gehütetes Geheimnis. Et voilà … man bekommt ein Familiengeschichte mit hoffentlich spannenden Einlagen. So weit so gut. Genau in diese Form hat sich auch der Roman „Black Rabbit Hall“ gepresst. Der Roman spielt im schönen Cornwall in England. Lorna hat sich für ihre bevorstehende Hochzeit in die in die Jahre gekommene einsame Villa verliebt. Gemeinsam mit ihrem Verlobten Jon begibt sie sich auf Besichtigungstour. Der zweite Erzählstrang entführt den Hörer in die 60er Jahre, als die Welt noch in Ordnung schien und die Familie gemeinsam mit ihren vier Kindern – zwei Jungen und zwei Mädchen – in Black Rabbit Hall wunderbare Zeiten verbrachte. Ja, bis dann das große Unglück geschah und nichts mehr so sein sollte, wie es einst war. Doch welche Rolle spielt dabei die alte vornehme Dame, die heute das Anwesen bewohnt?
Die Autorin Eve Chase zieht bei ihrem Roman wirklich alle Register und verarbeitet aufregende Elemente darin, die einen als Hörer immer wieder in den Bann ziehen. Doch irgendwie kommt die Geschichte ein wenig konstruiert und abgedroschen daher. Zu viele ähnliche Stories überfluten inzwischen den Buchmarkt und der wirkliche Knalleffekt blieb aus. Die Geschichte hat mich morgens beim Laufen begleitet und sich dafür hervorragend geeignet. Lange nachhallen wird das Gehörte aber kaum. Man kann, man muss aber nicht.
Wundervoll vorgetragen wurde das Hörbuch jedoch von Anna Thalbach. Sie gehört nicht umsonst zu meinen Lieblingsvorleserinnen sondern auch - genau wie ihre Mutter - zu meinen Lieblingscharakterschauspielerinnen.
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04. Am Abgrund lässt man gern den Vortritt von Jörg Maurer (03/2018)
Kommissar Hubertus Jennerwein gönnt sich eine Auszeit. Aber schon vor der geplanten Abreise trifft er auf dem Bahnhof einen Kommissar-Kollegen aus dem Allgäu und wird aufgehalten. Gerade als die beiden so richtig ins ermittlerische Fachsimpeln kommen, erreicht Jennerwein ein Hilferuf aus dem Kurort: Ursel Grasegger, Bestattungsunternehmerin a. D., hat eine blutige Morddrohung gegen Ignaz erhalten. Ihr Mann ist seit Tagen unauffindbar. Ist er in den Händen von Entführern? Oder hat er heimlich etwas Illegales geplant, was nun schiefgegangen ist? Jennerwein verspricht Ursel, Ignaz’ Spur außerdienstlich zu verfolgen – und auf einmal steht er vor dem Abgrund seiner Polizeikarriere.
Note 2: Der Inhalt dieser Lokalkrimifolge wird ja abdeckend im Klappentext beschrieben, hierzu brauche ich nichts hinzuzufügen. Zu den Kriminalfällen rund um Kommissar Jennerwein schreibe ich meistens auch keine ausführlichen Rezensionen, da mir die Bücher nicht tiefgründig genug sind um sie zu zerpflücken wollen. Das darf man aber keineswegs als negative Wertung betrachten, ist nur ein Erfahrungswert … aber ich möchte gerne zum Ausdruck bringen, dass mich dieser, vom Autor selbst gelesene Lokalkrimi, wie auch schon die Vorgängerbände, wieder gut unterhalten haben. Jörg Maurers skurriler Humor ist einfach klasse. Besonders gut fand ich zudem das Zusammentreffen mit dem sicher vielen Lesern und Hörern bekannten Allgäuer Kommissar Kluftiger. Im Gegenzug durfte nämlich auch Jennerwein in dessen Jubiläumsband mit einer kleinen Rolle aufwarten. Dieser zehnte Teil macht Lust auf mehr … bald schon wird es weitergehen für mich und Kommissar Jennerwein.
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05. Solange du atmest von Joy Fielding (07/2017)
Robin, die jahrelang keinen Kontakt mehr zu ihrer ziemlich kaputten Familie hatte, erfährt, dass jemand auf ihren Vater, seine neue Frau Tara und deren Tochter Cassidy geschossen hat. Tara erliegt kurz darauf ihren Verletzungen. Als Cassidy im Krankenhaus zu Bewusstsein kommt, wendet diese sich sofort an Robin – so wie ihre Mutter eindringlich geraten hatte. Robin ist klar, dass es viele Menschen gibt, die einen Grund hätten, ihren Vater zu hassen, oder war es wirklich jemand aus der Familie? Und was für ein Monster schießt auf eine Zwölfjährige?
Note 3-4 : „Solange du atmest“ ist das 24. Buch der bekannten Autorin Joy Fielding. Einige der Vorgängerbücher habe ich gelesen und gehört und war eigentlich immer begeistert von der Spannung, die sie es stets schaffte aufzubauen. Mit diesem Buch gestaltete es sich leider ein wenig unspektakulärer.
Robin und Melanie, die beiden des im Koma liegenden Mannes, der zusammen mit seiner zweiten Frau Tara und deren Stieftochter Opfer eines brutalen Überfalls wurde, versuchen gemeinsam den oder die Täter an dieser grausamen Tat ausfindig zu machen. Das Verhältnis der beiden Schwestern ist seit Jahren angespannt, lediglich diese unliebsame Begebenheit scheint die Beiden ein wenig näher zueinander zu bringen. Auch der lokale Scheriff nimmt die Ermittlungen auf doch alle Spuren scheinen ins Leere zu laufen bis es schließlich doch zu zwei Verhaftungen kommt. Doch haben sie die echten Täter eingesperrt?
Wäre es nicht für die geniale Sprecherin Petra Schmidt-Schaller gewesen, die der Geschichte doch noch eine besondere Note verleiht, hätte ich vielleicht abgebrochen. So aber habe ich das Ende abgewartet und wurde am Schluss doch noch ein wenig überrascht. Das hat aber nicht gereicht, das Ruder rumzureißen, leider …
Ich habe gelesen:
01. Tiefer denn die Hölle von Peter Gallert und Jörg Reiter (04/2018)
Polizeiseelsorger Martin Bauer ist auf alles vorbereitet, als er zu dem Einsatz in einem stillgelegten Bergwerk eilt. Dort wurde eine Leiche gefunden, übergossen mit Honig. Bei ihrem Anblick ist Bauers Amtskollege, Polizeidekan Rüdiger Vaals, der die Beamten vor Ort betreuen sollte, mit einem Herzinfarkt zusammengebrochen. Hat der Tote im Bergwerk etwas mit Vaals’ Vergangenheit zu tun? Bauers Suche nach der Wahrheit führt ihn zu einem sterbenden Mann und tausend Meter unter die Erde.
Note 1: Anschließend an den Klappentext führt die Wahrheit Martin Bauer nicht nur zu einem sterbenden Mann, sondern scheinbar zu einer ganzen Spur von Leichen. Wie hängt Bauers katholischer Kollege Vaals in der ganzen Sache mit drin … und was ist wahr an den Anschuldigungen, die man gegen ihn erhebt? Und wer zum Teufel ist Josef Hartwig? Mehr kann nun vom Inhalt aber wirklich nicht verraten werden ohne für die nächsten Leser zu viel preiszugeben …
Wie schon im Vorgängerband gräbt Bauer auch diesmal wieder viel tiefer als es sein Amt verlangt, geschweige denn erlaubt. Seine guten Verbindungen zum Kommissariat, im speziellen Verena Dohr, lassen ihm so manche Freiheit. Wieder einmal hat er sich in die Aufklärung des Falls regelrecht verbissen und riskiert so auch in diesem zweiten Band wieder den endgültigen Bruch mit seiner Tochter und seiner hochschwangeren Frau. Nach und nach tastet er sich an die Wahrheit, wohl wissend, dass er sich stets auf einer legalen/illegalen Gratwanderung befindet. Am Ende hat er den Fall gelöst, doch im Privaten steht mal wieder alles in den Sternen … ich hoffe doch sehr, dass wir hier mit einem dritten Band rechnen dürfen, liebes Autorenduo?
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02. Die Unwerten von Volker Dützer (02/2020)
Frankfurt am Main, 1939. Die vierzehnjährige Hannah bricht vor ihren Mitschülern in einem Krampfanfall zusammen. Bisher war es ihr gelungen, ihre Epilepsie zu verheimlichen, doch jetzt meldet ihr linientreuer Lehrer sie bei der Obrigkeit. Hannah gerät ins Visier des NS-Terrorapparates, denn die Nazis haben sich zum Ziel gesetzt, alles „lebensunwerte Leben“ zu vernichten. Hannahs Schicksal liegt nun in den Händen des Gutachterarztes Joachim Lubeck, einem gewissenlosen Opportunisten, der für seine Karriere über Leichen geht.
Note 1 mit Sternchen: Dieses wunderbare, wichtige und sehr bewegende Buch habe ich bereits vor einigen Tagen ausgelesen und musste es doch tatsächlich ein wenig sacken lassen, bevor ich eine Rezension verfassen konnte.
Der Klappentext reißt die im Roman stattfindende Handlung mit knappen Worten an und macht neugierig. Was er nicht verrät ist, dass die junge Hannah nicht nur mit ihrer Epilepsie zu kämpfen hat, nein, sie ist dazu auch noch Halbjüdin, das Kind einer jüdischen Mutter und einem unbekannten – wahrscheinlich - arischen Vater. Das Glück scheint ihr erst fast ein wenig in die Hände zu spielen, denn der Arzt Dr. Joachim Lubeck scheint einen Narren an ihrer Mutter Malisha gefressen zu haben. Doch Malisha ist stolz, sehr stolz sogar. Sie wird sich dem unsympathischen, ja fast schon widerlichen Lubeck nicht hingeben … so beginnt die grausame Odyssee des Mädchens Hannah. Hautnah erleben sie und ihre Mutter den Naziterror, der jedwedes „unwerte“ Leben auszulöschen versucht. Männer, die Gott spielen, sind an der Tagesordnung doch viele Frauen stehen ihnen in nichts nach.
Ganz gefesselt hing ich beim Lesen an Volkers Zeilen. Man spürt beim Lesen und auch beim Diskutieren des Stoffes in der Leserunde, dass ihm dieser Roman ein Herzensprojekt war, das bei Weitem nicht gleich auf Verständnis in seinem Umfeld stieß. Zu grausam um als Romanstoff dienen zu könnem. Doch der ehrgeizige und in meinen Augen sehr talentierte Autor ließ sich nicht von seinem Plan abbringen. Ich bin ihm sehr dankbar dafür. In rasantem Tempo wurde ich beim Lesen durch eine Themenwelt geschleust, die mich erschaudern ließ und mir immer mal wieder Tränen in die Augen zauberte. Eine wunderbare Recherche, an der Herr Dützer den Leser im Nachgang teilhaben lässt, rundet das Buch ab. An dieser Stelle ein herzliches Dankeschön. Der Autor hat uns verraten, dass noch zwei weitere Bände um Hannah, ihre Freunde aber auch ihre Feinde geplant sind … das erweckt Vorfreude in mir. Ich freue mich auf ein Wiedersehen!
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03. An jenem Tag von Jacquelyn Mitchard (07/2010)
Nachdem ihre beiden Schwestern einem Gewaltverbrechen zum Opfer gefallen sind, kann für die zwölfjährige Ronnie nichts wieder werden, wie es war. Egal, wie viel Glück sie in den kommenden Jahren erfährt – ein Gefühl der Leere und auch des Zorns bleibt. Während ihre Eltern irgendwann die Kraft aufbringen, dem Täter zu vergeben, wächst in Ronnie der Wunsch nach Rache… Ein ebenso erschütternder wie fesselnder Roman über Schuld, Rache und Vergebung.
Note 2: Na, das war ja mal eine Achterbahn der Gefühle, puh, hat mir sehr gut gefallen …
Die Geschichte beginnt, wie schon der Klappentext verrät, mit den grausamen Morden an Veronicas beiden kleinen Schwestern Becky und Ruth. Während eines Versteckspiels lässt sie die Beiden nur Minuten aus den Augen um schließlich an einen mit Blut getränkten Ort des Grauens zurückzukehren. Verständlicherweise wird das Leben der Familie nie wieder dasselbe sein. Vater, Mutter und die große Schwester trauern jeweils auf ihre eigene Weise. Veronica, die von allen nur Ronnie genannt wird, scheint die Vernünftigste der drei Bonhams zu sein. Während die Mutter sich tage- und wochenlang in ihr Bett verkriecht und der Vater nachts schlaflos durch die Zimmer tigert, kümmert sich Ronnie liebevoll um ihren neuen kleinen Bruder und den Haushalt. Nur sehr, sehr langsam normalisiert sich die Familie wieder und auch dank ihres Glaubens – sie sind Mormonen und gehören somit der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage an, gelingt es den Eltern dem Mörder Scott Early zu verzeihen. In diesem Moment bricht für Ronnie eine Welt zusammen und sie reißt aus. Sie flieht in die Nähe von San Diego, wo der Mörder inzwischen mit seiner eigenen kleinen Familie ein neues Leben begonnen hat. Die Tragödie scheint vorprogrammiert …
Ich muss gestehen, etwa die Hälfte des Buches plätscherte für mich so vor sich hin. Da ich annahm das Ende voraussehen zu können, wollte ich schon abbrechen. Was bin ich froh, durchgehalten zu habe. Die Geschichte nimmt schließlich solch einen berührenden und unvorhersehbaren Verlauf, dass ich sie fast mit angehaltenem Atem und definitiv mit ein paar Tränchen in den Augen beendete. Das Durchhalten hat sich gelohnt. Leider reicht es aufgrund der genannten Längen nicht ganz für die Bestnote, aber eine Empfehlung möchte ich dennoch aussprechen. „Every cloud has a silver lining“ hat selten besser zu einer Geschichte gepasst als zu dieser.
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04. Die Königin von Berlin von Charlotte Roth (03/2020)
Wo sie auftritt, jubeln die Menschen der geheimnisvollen Carola Neher zu. Berlin liegt ihr zu Füßen in jenen letzten Jahren der Weimarer Republik. In durchfeierten Nächten verdreht sie einem berühmten Mann nach dem anderen den Kopf – doch im Herzen bleibt sie allein. Das ändert sich, als sie dem Dichter Klabund begegnet, ein Suchender und ein Getriebener wie sie selbst. Ausgerechnet sie, die begehrte femme
fatale, verliebt sich in den scheuen, zurückhaltenden Dichter, der von der gleichen inneren Glut verzehrt wird wie sie selbst. Was keiner für möglich gehalten hätte, tritt ein: Sie heiratet ihn. Doch eine brave Ehefrau wird Carola nicht, denn schon bald lockt sie das wilde Leben – und die Künstler Berlins, darunter Bertolt Brecht, der ihr die Chance ihres Lebens bietet …
Note 3: Vorab möchte ich sagen, dass ich riesengroßer Fan von Charlotte Roth und ihren Büchern bin. Ich habe wirklich fast jedes Buch von ihr verschlungen und sie auch schon direkt angeschrieben um ihr mein großes Lob für spannende Lektüre auszusprechen. Natürlich versprach ich mir auch von diesem Roman wieder viel, angezogen wurde ich zunächst durch das wunderschöne Cover, das die hübsche Carola Neher mit einem Leoparden zeigt.
Die Geschichte ist äußerst interessant aufgebaut indem Charlotte für den Leser eine Art Theaterstück in drei Akten inszeniert. Vor und nach jedem Akt gibt es eine kleine Reise in die Pfalz zu einer Frau namens Annette, einer Bibliothekarin und Leiterin des dortigen Heimatmuseums. Lasst euch überraschen, wie sie mit Karoline, wie Carola mit Geburtsnamen hieß, zusammenhängt.
Carola, ihren Bruder Jo Jo und ihre Mutter lernen wir gleich zu Anfang der Geschichte in München kennen. Der Vater ist bereits verstorben und die Mutter versucht sich mehr schlecht an der Erziehung der beiden jungen Menschen. Eine Banklehre soll sie machen, die wilde Karoline, ausgerechnet sie, die sich immer nur als Schauspielerin sah. Dass sie aus dieser spießigen Enge ausbricht, ist wohl damals schon vorprogrammiert gewesen. So nimmt sie dann auch bald Reißaus und landet über Umwege unter anderem über Breslau nach Berlin. Immer treu zur Seite steht ihr mittlerweile Klabund, der Dichter und Lyriker Alfred Henschke. Doch sie kann einfach nicht die brave Ehefrau spielen und lässt sich unter anderem mit dem Dramatiker Bertold Brecht ein …
Es ist ein wirklich aufregender Werdegang, den Carola da beschreitet. Warum dann kann ich nur drei Sterne vergeben? Weil ich irgendwie nicht richtig warm wurde mit ihr, der Femme Fatale, die das Leben in vollen Zügen genießen möchte. Auch Brecht wirkt auf mich unsympathisch und egoistisch, lediglich der kranke Klabund hat mein volles Mitgefühl und meine Sympathie. Als Dreiergespann können sie jedoch nur scheitern. Schade eigentlich, denn ich habe beim Lesen gespürt, dass die Autorin – gemeinsam mit ihrem Vater – viel Herzblut in den Roman gepackt hat. Aber Geschmäcker sind ja bekanntlich unterschiedlich und so wünsche ich dem Buch und der Autorin noch viele begeisterte Leserinnen und Leser.
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05. Wir holen alles nach von Martina Borger (03/2020)
Job und Kind unter einem Hut – die alleinerziehende Sina jongliert damit seit Jahren. Seit kurzem wird sie von ihrem neuen Partner Torsten dabei unterstützt. Und sie haben Ellen, Ende sechzig, die sich für Nachhaltigkeit einsetzt und das hat, was sich Sinas Sohn Elvis so wünscht: Zeit, Geduld – und einen Hund. Doch dann widerfährt dem sensiblen Jungen etwas Schlimmes. Da er sein Geheimnis nicht preisgibt, spinnt sich ein fatales Netz aus Gerüchten um die kleine Patchworkfamilie.
Note 2-3: Der Klappentext deckt den Inhalt dieses Buchs im Grunde genommen hervorragend ab. Was er dem Leser natürlich nicht vermitteln kann, sind die Gefühle, Probleme aber auch Glücksmomente, die die Protagonisten mit sich herumtragen. Da haben wir zum Beispiel Sina, die seit Jahren mit Schuldgefühlen kämpft, da sie im Alltag ihrem Sohn Elvis zeit- aber auch kraftmäßig nicht gerecht werden kann. „Wir holen alles nach“ scheint da Pseudoversprechen Nummer eins zu sein. Und was ist mit Ellen, die plötzlich feststellen muss, dass „Wir holen alles nach“ auf sie oft nicht mehr zutreffen wird. Sie ist nämlich im letzten Abschnitt ihres Lebens. Umso schöner scheint es daher für Elvis, Sina und Ellen, dass sie ein Stück des Weges gemeinsam gehen dürfen und dies wunderbar zu funktionieren scheint bis zu dem Tag, der das junge Leben von Elvis auf den Kopf stellt …
Auf einfühlsame Weise sucht die Autorin Martina Borger die Leben der Protagonisten nach Vorkommnissen ab. Was ist passiert? Warum darf Elvis nichts sagen? Welches Versprechen wurde ihm da abverlangt? Auf subtile Weise verführt sie uns zugleich dazu uns eine Meinung zu bilden, die wenig fundiert ist und aufzeigt, wie leicht die Menschen zu manipulieren sind. Die Geschichte endet schlussendlich in einer Art Happy End, das keineswegs eine heile Welt vorspielt und absolut kitschfrei ist. Gut gemacht, Frau Borger, aber an manchen Stellen hätte ich mir etwas mehr Tiefgang gewünscht. Ich finde, hundert Seiten mehr hätten dem Buch gut getan.
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06. Die Schwestern vom Ku’Damm: Tage der Hoffnung von Brigitte Riebe (04/2020)
Berlin 1958: Farben und Formen, Augenblicke eingefangen in Bleistift und Papier. Seit sie denken kann, will Florentine Thalheim nur eines: sich ganz der Malerei und dem Zeichnen hingeben, erst recht, seit sie bei einem Aufenthalt in Paris die Werke der ganz großen Künstler bestaunen konnte. Doch die jüngste von drei Töchtern hatte schon immer einen rebellischen Geist, mehr als eine Ausbildung zur Dekorateurin hat sie nicht vorzuweisen. Während ihre Eltern und die älteren Schwestern Rike und Silvie hoffen, dass sie ihr Talent eines Tages für das Familienunternehmen, das Kaufhaus Thalheim am Ku'damm, einsetzen wird, träumt Florentine weiterhin den wagemutigen Traum, an der Berliner Kunstakademie angenommen zu werden…
Note 1 mit Sternchen: Wie schon „Jahre des Aufbaus“ und „Wunderbare Zeiten“ war auch dieser letzte Band der Trilogie rund um die Familie Thalheim mal wieder ereignisreich und spannungsgeladen. Gleich zu Anfang möchte ich als kleinen Tipp für zukünftige Leser anführen, hier dringend die Reihenfolge einzuhalten und unbedingt mit Band eins zu beginnen.
Doch nun zu eben jenen Band drei. In diesem leider schon letzten Band der Trilogie steht die jüngste der drei Thalheim Schwestern im Mittelpunkt. Flori, frisch aus Paris zurückgekehrt, versucht in Berlin ihren Weg zu gehen. Ein Kunststudium wäre ihr absoluter Traum, doch wird sie an der elitären Kunstakademie aufgenommen werden? Sie hat Talent, Energie und vor allem ihren Stolz, der ihr aber mehr als einmal im Weg stehen wird. Was ihr vorerst fehlt ist Geld und weil es ihr der genannte Stolz verbietet bei ihren Eltern nachzufragen, kommt sie vorübergehend bei ihrer Cousine Franzi unter, die zwar viel Platz aber auch einen unliebsamen Mitbewohner hat. Doch Flori ist hartnäckig und will so schnell nicht aufgeben, schon fast verbissen erkämpft und „ermalt“ sie sich ihre Bleiberecht in der Kunstszene. Aus dem trotzigen Teenager ist über die letzten Jahre eine mutige junge Frau geworden, doch auch sie ist nicht gefeit gegen die falsche Liebe, die ihr kurz den Boden unter den Füßen zu ziehen zu scheint …
Auf der Reise durch die späten 50er und frühen 60er Jahre habe ich mich riesig gefreut, auch den Rest der Familie wieder sehen zu dürfen. Vater Friedrich Thalheim mit seiner warmherzigen Frau Claire, die beiden großen Schwestern Rike und Silvie samt Familien, Onkel, Tante und Cousinen aus dem Osten und, und, und. Und in der Tat gab es wieder einige Geheimnisse zu lüften, einige Tränen zu vergießen und einige Kämpfe auszufechten. Gute Freunde begleiten den Weg der Familie Thalheim darunter auch der junge Fotograf Benka, der seinen ganz eigenen Charme einfließen lässt. Ist er am Ende gar der richtige Mann für Flori?
Neben der Familiengeschichte lässt Brigitte Riebe uns aber auch teilhaben am allgemeinen Geschehen der damaligen Zeit. Es muss ganz schön geknistert haben zu Zeiten des Mauerbaus, der Kubakrise und der Inselbildung von Berlin-West. Die Menschen gehen auf die Straße, Jungkanzler Willy Brandt und schließlich der charismatische US-Präsident John F. Kennedy geben sich die Ehre. Peggy and the Crazy Creatures und die Beatles bescheren uns was für Ohren und das Modehaus Thalheim natürlich wunderbare Kleider für die Augen. Eine rundum gelungen Mischung aus Fiktion und wahrer Geschichte.
Diesen dritten Band hast du mal wieder eins A Spitzenklasse hinbekommen, liebe Brigitte. Nicht selten läuft es ja bei Trilogien so ab: erster Teil großartig, zweiter Teil schwächer aber auch noch gut, dritter Teil naja, kann man, muss man aber nicht. Nicht so bei dir. Dadurch dass jeder Band einer anderen Schwester gewidmet war, konnte die Geschichte eine Eigendynamik entwickeln, die mich als Leser einfach abholte und mit riss ... dafür danke ich dir von Herzen und freue mich auf ein Wiedersehen mit den Thalheims am Ku’Damm in der Weihnachtszeit.
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07. Das Nordseegrab von Tilman Spreckelsen (04/2015)
DICHTER, ANWALT, ERMITTLER - Theodor Storm und sein geheimnisvoller Gehilfe Söt in Husum: Ein Nordseeküstenkrimi voller Spannung und historischer Atmosphäre.
Husum, 1843: die Stadt ist in Aufregung. Ein Bottich voll Blut, darin eine Leiche, die sich als Wachspuppe erweist. Wenig später wird ein echter Toter gefunden. Der junge Anwalt Theodor Storm spürt dem Rätsel nach, in alten Dorfkirchen und vor den Deichen Husums. Ihm und seinem geheimnisumwobenen Schreiber Peter Söt schlägt die ohnmächtige Wut armer Bauern entgegen, und das arrogante Schweigen der Reichen. Bis er auf ein fast vergessenes Schiffsunglück stößt, auf eine alte Schuld und einen Mörder, der diese Schuld eintreiben will.
Note 2-3: Fast jeder wird schon einmal von Theodor Storm gehört haben, zu dessen bekanntesten dichterischen Werken wohl „Der Schimmelreiter“ gehört. Weniger bekannt dürfte die Tatsache sein, dass er neben seinen dichterischen und musikalischen Aktivitäten auch eine Anwaltskanzlei betrieb. Er hatte zu Lebzeiten eine immerhin zehnköpfige Familie zu ernähren, das Geld dazu war sicher nicht nur mit der Kunst verdient. So ergab es sich dann wohl auch, dass der Zufall ihm den Schreiber Peter Söt in die Amtsstube spülte, der ihm bei der Aufklärung und Verteidigung verschiedener Fälle zur Hand gehen sollte. Als jedoch die erste Leiche auftaucht, spüren Beide, dass sich dahinter mehr als nur ein einfacher Mord verbirgt. Gemeinsam machen sie sich auf die Spurensuche und müssen mehr als einmal um ihr eigenes Leben bangen …
Soweit so gut, das hört sich spannend an. War es auch, bis der Autor sich im mittleren Drittel des Romans ein wenig zu verzetteln schien. Ich gebe zu, ich wusste streckenweise nicht mehr, wer gut und wer böse war und wer mit wem zusammenhing. Im letzten Drittel bekommt er jedoch wieder die Kurve um die Geschichte mit einer so stimmigen Aufklärung zu beenden, dass ich direkt Lust auf den nächsten Band bekommen habe. Was Herr Spreckelsen jedoch ganz großartig hingekriegt hat ist dem Leser die Stimmung der damaligen Zeit im abgelegenen Husum zu vermitteln. Ich fühlte mich fast zurückversetzt in die Mitte des 19. Jahrhunderts, in die dunklen Kneipen und das geheimnisvolle Moor. Auch hat es riesig Spaß gemacht Theodor Storm beim Sammeln seiner Geschichten, Gedichte und Lieder zuzuschauen und zuzuhören. Er muss schon ein etwas besonderer Kautz gewesen sein. Gerne hätte ich ihm mal persönlich die Hand geschüttelt.
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08. Brick Lane von Monica Ali (07/2005)
Was bedeutet eigentlich Schicksal? Nazneen, in den ärmsten Verhältnissen in Bangladesch aufgewachsen, wird mit 19 Jahren verheiratet und ins ferne England geschickt. Ohne Englischkenntnisse landet sie in der Brick Lane, dem »Klein-Indien« von London, bei einem ihr völlig fremden Ehemann. Chanu ist gut zu ihr, doch aus ihrer Wohnung kommt sie selten raus. Gegen seinen Widerstand lernt sie schließlich Englisch und nimmt eine Arbeit als Näherin an. Ganz langsam, mit Hilfe ihrer Töchter und getragen von ihrer natürlichen Lebensklugheit, verlässt Nazneen den ihr vorbestimmten Weg.
Note 3: Was muss es für ein Kulturschock gewesen sein, als ihr Vater die junge Nazneen aus Bangladesch ins ferne England verheiratet. Anders als ihre rebellische Schwester hatte sie zuvor noch nie ihr Heimatdorf verlassen. Doch Chuna, ihr mehr als doppelt so alter Ehemann, ist für bengalisches Empfinden gut zu ihr, er schlägt sie nicht und ist furchtbar gebildet – das glaubt er zumindest. Er hält sie jedoch wie einen gefangenen Vogel im Käfig. Sie sitzt zu Hause, starrt die Wände an in der vollgestellten Wohnung und wird immer einsamer während Chanu in vergeblich auf seine bevorstehende Beförderung wartet, und wartet und wartet. Mit der Zeit scheint sich eine wundersame Veränderung einzustellen … Nazneen holt sich Rat von Gleichgesinnten und während sich das Leben für sie ein wenig verbessert, fällt ihr Mann in eine sich selbst beklagende Depression aus der kein Entrinnen scheint …
Endlich, endlich hatte ich mir dieses Buch aufgrund einer „Gemeinsam Lesen Runde“ aus dem SUB gezogen, wo es seit Jahren vor sich hinschlummerte und mich immer wieder mahnend anzusehen zu schien. Trotz der spannenden Vorlage jedoch zog sich das Buch ein wenig wie Kaugummi. Aus zwei Sichtweisen schildert die Autorin das Leben der beiden ungleichen Schwestern Nazneen und Hasina. Hasinas Leben erleben wir durch einen Briefwechsel von Dhaka nach London, das von Nazneen dagegen in Echtzeit. Geschickt gemacht kommt der Roman aber ein wenig sperrig und an manchen Stellen schwer verständlich daher. Meine Lesepartnerin und ich haben durchgehalten und auf ein befriedigendes Ende gehofft, das sich dann aber in meinen Augen sehr enttäuschend gestaltete. Schade, der Stoff hätte mehr hergegeben und ist sogar verfilmt worden. Von mir gibt es diesmal keine wirkliche Leseempfehlung. Vielleicht kann der nächste Leser mehr damit anfangen. Das Buch wandert die Tage in ein öffentliches Leseregal.
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09. Die Schule am Meer von Sandra Lüpkes (03/2020)
Juist, 1925: Voller Ideale gründet eine Gruppe von Lehrern am äußersten Rand der Weimarer Republik ein ganz besonderes Internat. Mit eigenen Gärten, Seewasseraquarien und Theaterhalle. Zu der eingeschworenen Gemeinschaft gehören: die jüdische Lehrerin Anni Reiner, der Musikpädagoge Eduard Zuckmayer, der Schüler Maximilian sowie die resolute Insulanerin Kea, die in der Küche das Sagen hat. Doch schon bald kommt es zu Streit zwischen den Lehrkräften und mit den Insulanern, bei denen die Schule als Hort für Juden und Kommunisten verschrien ist. Im katastrophalen Eiswinter von 1929 ist die Insel wochenlang von der Außenwelt abgeschlossen. Man rückt ein wenig näher zusammen. Aber kann es Hoffnung geben, wenn der Rest der Welt auf den Abgrund zusteuert?
Note 1-2: Mit diesem Roman „Die Schule am Meer“ hat mir die Autorin mal wieder ein Stück Geschichte mit auf den Weg gegeben, von dem ich bis dato noch nie gehört hatte. Tatsächlich musste ich mich im Atlas erstmal schlau machen, wo genau dieses kleine Stück Land Juist zu finden ist. Sandra Lüpkes, selbst auf der Insel Juist aufgewachsen, war über die Jahre neugierig auf die Geschichte der „Schule am Meer“ geworden und so entstand die Idee zu diesem wunderbaren Buch, das ihre kurze jedoch sehr ereignisreiche Zeit schildert, die in großen Teilen auf wahren Tatsachen beruht. Es war eine ganz besondere Privatschule, die ihr Hauptaugenmerk auf bildende und gestalterische Kunst legte. Gemeinsames Musizieren, rezitieren und Körperertüchtigung prägten ihren Alltag. Die Erziehung gestaltete sich frei und offen, alle duzten sich und die Kinder sprachen die Lehrkräfte mit Vornamen an. Sie sind wie eine große Familie, was bei der Abgeschiedenheit auch bitter notwendig für den Zusammenhalt war. Doch die einheimischen Inselbewohner stehen den Fremden kritisch gegenüber. Als die politische Stimmung schließlich zugunsten der Nationalsozialisten umschlägt, scheint die Katastrophe vorprogrammiert …
Die Autorin basiert ihren Roman auf dem knapp 800 Seiten schweren Logbuch einer der Schulgründer namens Martin Luserke, der unter anderem mit dem Ehepaar Annie und Paul Reiner im Mai 1925 den Schulbetrieb auf Juist aufnahm. Sie lässt in die Tatsachen hier und da ein wenig Fiktion einfließen und zaubert so eine Geschichte, die fasziniert und berührt. Sie schafft es durch ihre Beschreibungen der an vielen Stellen kargen und rauen kleinen Insel die Atmosphäre derselben zu vermitteln. Ein halbes Sternchen möchte ich von meiner erstklassigen Bewertung jedoch abziehen, da an einigen Stellen ein wenig mehr Gefühl gutgetan hätte. Dennoch von mir eine absolute Leseempfehlung für „Die Schule am Meer“, die in ihrer kurzen aktiven Zeit sicher so manches junge Leben nachträglich geprägt hat. Leider war sie mit der Ideologie der neuen Machthaber nicht vereinbar und musste so nach nur knapp neun Jahren im Jahr 1934 ihre Pforten schließen.
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10. Goodbye Leningrad von Elena Gorokhova (11/2011)
Lena wächst in einem typisch sowjetischen Wohnblock auf: Die Fassade bröckelt, die Mülltonnen im Hof quellen über, in der Wohnung trocknen neben der Wäsche auch die im Wald gesammelten Pilze. Schon früh lernt sie, wie wichtig es ist, ihre wahren Gedanken und Gefühle für sich zu behalten. Vor allem wenn man sich wie Lena in die Sprache des Klassenfeindes verliebt hat: Der Englischunterricht wird zum Fenster in eine andere Welt. Als der amerikanische Gaststudent Robert ihr einen Heiratsantrag macht, zögert Lena nicht lange: Mit 20 Kilo Gepäck checkt sie ein in ein neues Leben.
Note 1-2: Wow, beeindruckend! Nachdem ich mich anfangs ein wenig wunderte, wie die ganzen Lobeshymnen im Netz so zustande gekommen sind, war es mir spätestens nach dem ersten Drittel klar. Mit klaren Worten und einer unwahrscheinlichen Authentizität lässt uns Lena an ihrem Leben in der ehemaligen Sowjetunion, im speziellen in Leningrad, teilhaben. Während sie sich im ersten, bereits angesprochenen, Drittel auf Erzählungen anderer berufen muss – sie war ja noch ein Kind, bzw. noch gar nicht geboren, nimmt das Buch dann mit ihren eigenen Gedanken und Worten rasant an Fahrt auf.
Bereits in ihrer frühesten Jugend verliebt sich Lena, die aus einer gebildeten, wenn auch nicht reichen Familie stammt, in die englische Sprache und lässt sie sich schon fast verbissen von verschiedenen Lehrkräften näherbringen. Sie ist, wie auch ihre Mutter und Schwester, sehr ehrgeizig und so schafft sie es schon in der schulischen Mittelstufe als jugendliche Fremdenführerin in die glückliche Lage, Gastschüler durch ihr Leningrad führen zu dürfen. Doch sie spürt dadurch auch schnell den Unterschied zwischen dem Leben in Ost und West. Als sie schließlich viele Jahre später durch wiederum Gaststudenten den Texaner Robert kennenlernt, fasst sie mit einem weinenden und einem lachenden Auge den Entschluss, nach Amerika zu emigrieren …
Wie habe ich es genossen, durch ihre Augen das wahre Leningrad erleben zu dürfen. Das Leningrad, dass mir und meinem Mann als Touristen verborgen blieb. Viele der beschriebenen Örtlichkeiten habe ich wiedererkannt, vieles war und wird mir wohl immer fremd bleiben. Dennoch habe auch ich mich bei meinem Besuch – genau wie Lena – in die Stadt verliebt, die sich heute wieder stolz St. Petersburg nennen darf!
Eine Autobiografie vom Feinsten für alle, die sich für diesen Teil des Erdballs interessieren. Von mir eine klare Leseempfehlung und Bereicherung.
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Ich habe gehört:
01. Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert von Joel Dicker (10/2014)
Ein Skandal erschüttert das friedliche Städtchen Aurora an der amerikanischen Ostküste: 33 Jahre nachdem die zauberhafte Nola dort spurlos verschwand, taucht sie wieder auf. Als Skelett im Garten ihres einstigen Geliebten, des hochangesehenen Schriftstellers Harry Quebert.
Als Harry Quebert verhaftet wird, ist der Einzige, der noch zu ihm hält, sein ehemaliger Schüler und Freund Marcus Goldman, inzwischen selbst ein erfolgreicher Autor. Überzeugt von der Unschuld seines Mentors – und auf der Suche nach einer Inspiration für seinen nächsten Roman – beginnt Goldman auf eigene Faust im Fall Nola zu ermitteln …
Note 3: Dieses Hörbuch bekam aus meinem Bekanntenkreis viele Vorschusslorbeeren. Mit entsprechend hoher Erwartung machte ich mich dann auch ans Werk. Das über 20 Stunden lange Hörbuch kann getrost als solches bezeichnet werden.
Es geht in dem Roman des schweizerischen Autors Joël Dicker in erster Linie um den jungen Schriftsteller Marcus Goldman und den inzwischen inhaftierten Autor Harry Quebert, der vor 30 Jahren seinen Erfolg feiern durfte und um den es in der Zwischenzeit still geworden war. Ein neuer Schreiberfolg wollte sich weder über die Jahre bei ihm noch gegenwärtig bei seinem ehemaligen Schüler Goldman einstellen. Nun, des Mordes an der jungen Nola Kellergan bezichtigt, gibt es nur einen Menschen, der von Queberts Unschuld überzeugt ist, Marcus Goldman aus New York. Dieser fängt an, eigene Ermittlungen anzustellen und deckt ein Geheimnis ums andere auf. Auf einmal scheint nichts mehr so zu sein, wie es anfangs schien … könnten diese Ermittlungen Goldman so ganz nebenbei auch einen neuen Bucherfolg bescheren?
An sich ist das ja durchaus Material für einen spannenden Roman, doch in meinen Augen hat Dicker alles ein wenig übertrieben. Viel zu lang müssen wir uns als Zuhörer anhören, dass Quebert in Goldmans Augen unschuldig ist. Viel zu lang schießen alle anderen Beteiligten dagegen. Als man schließlich als Hörer kurz vor dem Wachkoma steht, kommt endlich Bewegung in den Fall. Die Ereignisse überschlagen sich und es präsentieren sich mehr als ein möglicher Täter. Man hat als Hörer direkt Mühe hinterher zu stolpern. Trotz der sehr angenehmen Vortragsweise durch den Schauspieler und Hörbuchsprecher Torben Kessler konnte das Hörbuch meine Erwartungen leider nicht ganz erfüllen. Vielleicht hätte hier ausnahmsweise mal eine gekürzte Version gutgetan.
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02. Sonntags Tod von Carla Berling (11/2017)
Wenn die westfälische Idylle zum Albtraum wird ...
Lokalreporterin Ira Wittekind ist gerade erst in ihre westfälische Heimat zurückgekehrt, als eine schreckliche Nachricht sie erreicht: Ihre Schulfreundin Verena ist tot, ermordet von ihrem Mann Richard. Direkt nach dem Mord hat der angesehene Hotelier sich selbst das Leben genommen. Kurz darauf ist Ira Zeugin, als ein Toter in einer verwahrlosten Wohnung gefunden wird. Durch ein kleines Detail wird sie auf einen möglichen Zusammenhang zwischen den Todesfällen aufmerksam. Und ihr wird klar, dass hinter der idyllischen Fassade der Provinz ungeahnte Abgründe lauern ...
Note 2: Zunächst scheinen die drei Todesfälle, die in Bad Oeynhausen, der westfälischen Heimatstadt der Lokalreporterin Ira Wittekind auftreten, in keinem offensichtlichen Zusammenhang zu stehen. So ist es dann auch reiner Zufall, dass Ira in der stinkenden und verwahrlosten Wohnung eines toten Messies zugegen ist. Eigentlich war sie doch nur für die Beerdigung ihrer Schulfreundin Vera in der Stadt. Doch nach und nach ergeben sich immer mehr Details, die auf mehr als ein Verbrechen schließen lassen. Die drei Opfer stehen wohl in einem völlig unerwarteten Verhältnis zueinander. Ira versucht der Wahrheit auf den Grund zu gehen und zieht fast unglaubliche Geschichten der Vergangenheit ins Licht der Gegenwart …
Mit viel Liebe zum Detail zeichnet die Autorin Carla Berling ihre Protagonisten und vermittelt dem Hörer dadurch ein Gefühl der Vertrautheit. Fast scheint es, als arbeite man als Hörer seine eigene Vergangenheit auf. Hier geht es um mehr als Kindheits- und Jugenderinnerungen. Der Roman zeigt auf wie das „Unter den Teppich kehren“ unschuldige Kinder und Erwachsene gleichermaßen für das ganze weitere Leben deformieren kann.
Dieses leise und doch aufwühlende Buch ist für mich eine Mischung aus Krimi und Roman. Ein Roman, der sich mit den Gefühlen, Nöten und Ängsten der Charaktere auseinandersetzt und gleichzeitig ein Krimi, der zur richtigen Zeit immer wieder Spannungsmomente einstreut, die das Weiterhören zum Genuss machen. Erst am Ende formieren sich beide Elemente zu einem starken Ganzen.
Da dies der Auftakt zu einer für mich neuen Krimireihe ist, freue ich mich schon auf die nächsten Fälle, in die Ira wahrscheinlich wieder eher unfreiwillig verwickelt werden wird. Wie gut, dass die schon auf meinem SUB liegen …
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03. Black Rabbit Hall von Eve Chase (02/2016)
Auf Black Rabbit Hall, dem Sommersitz der Familie Alton, passiert normalerweise nicht viel. Bis zu einem stürmischen Abend 1968: Da stellt eine Tragödie die Verbundenheit der vier Alton-Geschwister auf eine harte Probe. Jahrzehnte später stoßen Lorna Smith und ihr Verlobter auf der Suche nach einem Ort für ihre Hochzeitsfeier auf ein verfallenes, aber wunderschönes Haus. Nach und nach verrät es Lorna seine schönsten Geschichten und traurigsten Momente ...
Note 2-3: Dieser Roman folgt einem derzeit beliebten Schema. Man nehme ein altes Anwesen, eine neugierige junge Frau und ein gut gehütetes Geheimnis. Et voilà … man bekommt ein Familiengeschichte mit hoffentlich spannenden Einlagen. So weit so gut. Genau in diese Form hat sich auch der Roman „Black Rabbit Hall“ gepresst. Der Roman spielt im schönen Cornwall in England. Lorna hat sich für ihre bevorstehende Hochzeit in die in die Jahre gekommene einsame Villa verliebt. Gemeinsam mit ihrem Verlobten Jon begibt sie sich auf Besichtigungstour. Der zweite Erzählstrang entführt den Hörer in die 60er Jahre, als die Welt noch in Ordnung schien und die Familie gemeinsam mit ihren vier Kindern – zwei Jungen und zwei Mädchen – in Black Rabbit Hall wunderbare Zeiten verbrachte. Ja, bis dann das große Unglück geschah und nichts mehr so sein sollte, wie es einst war. Doch welche Rolle spielt dabei die alte vornehme Dame, die heute das Anwesen bewohnt?
Die Autorin Eve Chase zieht bei ihrem Roman wirklich alle Register und verarbeitet aufregende Elemente darin, die einen als Hörer immer wieder in den Bann ziehen. Doch irgendwie kommt die Geschichte ein wenig konstruiert und abgedroschen daher. Zu viele ähnliche Stories überfluten inzwischen den Buchmarkt und der wirkliche Knalleffekt blieb aus. Die Geschichte hat mich morgens beim Laufen begleitet und sich dafür hervorragend geeignet. Lange nachhallen wird das Gehörte aber kaum. Man kann, man muss aber nicht.
Wundervoll vorgetragen wurde das Hörbuch jedoch von Anna Thalbach. Sie gehört nicht umsonst zu meinen Lieblingsvorleserinnen sondern auch - genau wie ihre Mutter - zu meinen Lieblingscharakterschauspielerinnen.
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04. Am Abgrund lässt man gern den Vortritt von Jörg Maurer (03/2018)
Kommissar Hubertus Jennerwein gönnt sich eine Auszeit. Aber schon vor der geplanten Abreise trifft er auf dem Bahnhof einen Kommissar-Kollegen aus dem Allgäu und wird aufgehalten. Gerade als die beiden so richtig ins ermittlerische Fachsimpeln kommen, erreicht Jennerwein ein Hilferuf aus dem Kurort: Ursel Grasegger, Bestattungsunternehmerin a. D., hat eine blutige Morddrohung gegen Ignaz erhalten. Ihr Mann ist seit Tagen unauffindbar. Ist er in den Händen von Entführern? Oder hat er heimlich etwas Illegales geplant, was nun schiefgegangen ist? Jennerwein verspricht Ursel, Ignaz’ Spur außerdienstlich zu verfolgen – und auf einmal steht er vor dem Abgrund seiner Polizeikarriere.
Note 2: Der Inhalt dieser Lokalkrimifolge wird ja abdeckend im Klappentext beschrieben, hierzu brauche ich nichts hinzuzufügen. Zu den Kriminalfällen rund um Kommissar Jennerwein schreibe ich meistens auch keine ausführlichen Rezensionen, da mir die Bücher nicht tiefgründig genug sind um sie zu zerpflücken wollen. Das darf man aber keineswegs als negative Wertung betrachten, ist nur ein Erfahrungswert … aber ich möchte gerne zum Ausdruck bringen, dass mich dieser, vom Autor selbst gelesene Lokalkrimi, wie auch schon die Vorgängerbände, wieder gut unterhalten haben. Jörg Maurers skurriler Humor ist einfach klasse. Besonders gut fand ich zudem das Zusammentreffen mit dem sicher vielen Lesern und Hörern bekannten Allgäuer Kommissar Kluftiger. Im Gegenzug durfte nämlich auch Jennerwein in dessen Jubiläumsband mit einer kleinen Rolle aufwarten. Dieser zehnte Teil macht Lust auf mehr … bald schon wird es weitergehen für mich und Kommissar Jennerwein.
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05. Solange du atmest von Joy Fielding (07/2017)
Robin, die jahrelang keinen Kontakt mehr zu ihrer ziemlich kaputten Familie hatte, erfährt, dass jemand auf ihren Vater, seine neue Frau Tara und deren Tochter Cassidy geschossen hat. Tara erliegt kurz darauf ihren Verletzungen. Als Cassidy im Krankenhaus zu Bewusstsein kommt, wendet diese sich sofort an Robin – so wie ihre Mutter eindringlich geraten hatte. Robin ist klar, dass es viele Menschen gibt, die einen Grund hätten, ihren Vater zu hassen, oder war es wirklich jemand aus der Familie? Und was für ein Monster schießt auf eine Zwölfjährige?
Note 3-4 : „Solange du atmest“ ist das 24. Buch der bekannten Autorin Joy Fielding. Einige der Vorgängerbücher habe ich gelesen und gehört und war eigentlich immer begeistert von der Spannung, die sie es stets schaffte aufzubauen. Mit diesem Buch gestaltete es sich leider ein wenig unspektakulärer.
Robin und Melanie, die beiden des im Koma liegenden Mannes, der zusammen mit seiner zweiten Frau Tara und deren Stieftochter Opfer eines brutalen Überfalls wurde, versuchen gemeinsam den oder die Täter an dieser grausamen Tat ausfindig zu machen. Das Verhältnis der beiden Schwestern ist seit Jahren angespannt, lediglich diese unliebsame Begebenheit scheint die Beiden ein wenig näher zueinander zu bringen. Auch der lokale Scheriff nimmt die Ermittlungen auf doch alle Spuren scheinen ins Leere zu laufen bis es schließlich doch zu zwei Verhaftungen kommt. Doch haben sie die echten Täter eingesperrt?
Wäre es nicht für die geniale Sprecherin Petra Schmidt-Schaller gewesen, die der Geschichte doch noch eine besondere Note verleiht, hätte ich vielleicht abgebrochen. So aber habe ich das Ende abgewartet und wurde am Schluss doch noch ein wenig überrascht. Das hat aber nicht gereicht, das Ruder rumzureißen, leider …