So, hier kommt nun meine Liste - bin sehr zufrieden
Ich habe gelesen:
01. Spätes Gewissen von Wolfgang Westphal (04/2017)
1960 flüchtete der damals 15-jährige Paul aus der DDR. Nach dem Mauerfall kehrt er nach Kröpelin in Mecklenburg zurück und hofft, dort seinen Jugendfreund Karl wiederzutreffen. Doch Karl ist tot. In ihrem früheren Geheimversteck findet Paul einen Brief, aus dem hervorgeht, dass sein Freund Zeuge eines Mordes wurde. Wurde auch Karl ermordet? Paul setzt alles daran, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Damit bringt er sich selbst in Lebensgefahr, denn der Täter ist ihm immer einen Schritt voraus und tötet alle, die ihm gefährlich werden könnten.
Note 1: Spannung pur! Dieses Buch behandelt ein Thema, mit dem ich mich bis jetzt recht wenig beschäftig habe. Vielleicht gibt es auch einfach nicht so viel Belletristik dazu? Dem Autor möchte ich jedenfalls ein großes Lob zu einer sehr gelungenen Story aussprechen!
Wolfgang Westphal spricht aus Erfahrung. Ist doch auch ihm, zusammen mit seinen Eltern, die Flucht als Jugendlicher aus der DDR gelungen.
Der fesselnde Kriminalroman behandelt ein dunkles Kapitel unserer deutsch/deutschen Geschichte, das viel zu oft und gerne unter den Tisch gekehrt wird. Sehr eindringlich macht der Autor dem Leser deutlich, dass noch längst nicht alles vorbei und vergessen ist und selbst heute noch Menschen in die Fänge der angeblich vom Erdboden verschwundenen Stasi gelangen. Man kann den Schalter nicht einfach umlegen. Das hat schon nach dem zweiten Weltkrieg nicht funktioniert. Der Major macht weiter und immer weiter, bis nicht nur Paul in sein Visier gerät …
Flüssig geschrieben blätterten sich die Seiten wie von selbst um. Vielleicht hören wir ja bald mal wieder was von Wolfgang Westphal? Eile ist geboten, Konrad geht es nicht so gut
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02. Heimatroulette von Sarah Fischer (09/2012)
Sarah Fischer wird als Baby von einem deutschen Ehepaar adoptiert. Trotz ihres asiatischen Aussehens ist sie überzeugte Bayerin und stolze Besitzerin von sieben Dirndln. Dennoch lässt sie die Frage nicht los, wo ihre wahren Wurzeln liegen. Und so beschließt die junge Frau, sich auf die Suche zu machen. Sie bricht auf zu einer Reise durch die halbe Welt, in der Hoffnung, sich irgendwo heimisch zu fühlen. Unterwegs findet sie Ruhe im tibetischen Kloster, mimt in Alaska den Eskimo für amerikanische Touristen und vergiftet sich beinahe in der burmesischen Wildnis. Bis sie am Ende tatsächlich ihrer wahren Herkunft auf die Spur kommt – und eine große Überraschung erlebt.
Note 3-4: Mehr als eine halbwegs befriedigende Note kann ich diesem Buch, das durchaus seinen Reiz hätte haben können, nicht geben. Sarah entwickelt sich in ihren späten Teen- und frühen Zwanzigerjahren immer mehr zu einer fordernden, oft egoistischen jungen Frau. Wie besessen erliegt sie ihrem Reisefieber, das sie aber leider oft nur in einer Aufzählung von Ländernamen zu Papier bringt. Sie besucht durchaus spannende und interessante Ziele, sehr gerne hätte ich hier eine ausführlichere Beschreibung von Land und Leuten gelesen. Sie ist eine ruhelose Person aber ist sie wirklich getrieben von ihrem Wunsch, das Land ihrer Vorfahren zu finden, oder ist sie einfach eine verwöhnte Frau, die alles hinschmeißt, wenn sie keine Lust mehr hat? Ich habe das Buch zu Ende gelesen aber es hat mich wenig befriedigt zurück gelassen. Ich denke, lange wird es mir nicht im Gedächtnis bleiben.
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03. Solange die Hoffnung uns gehört von Linda Winterberg (06/2017)
Frankfurt, 1938: Als Sängerin darf die Jüdin Anni nicht mehr auftreten. Nur mit Mühe kann sie für sich und ihre kleine Tochter Ruth sorgen. Die Angst vor dem NS-Regime wird immer größer, aber all ihre Bemühungen, gemeinsam auszureisen, scheitern. Schließlich ringt sich Anni zu der wohl schwersten Entscheidung für eine Mutter durch: Um wenigstens ihre Tochter in Sicherheit zu wissen, schickt sie Ruth mit einem der Kindertransporte nach England. So bald wie möglich will Anni ihr folgen. Doch dann bricht der Krieg aus, und sie kann das Land nicht mehr verlassen …
Die berührende Geschichte einer jungen Mutter, die ihr Kind zu retten versucht, indem sie es auf eine Reise ins Ungewisse schickt.
Note 1: Und immer wieder klappt es, mich als Leserin für dieses, wenn auch sehr traurige Kapitel der deutschen Geschichte zu begeistern. Naja, begeistern ist wohl nicht das passende Wort … sagen wir, in den Bann zu ziehen. Diesmal gelingt es der Autorin Linda Winterberg, dem ein oder anderen Leser vielleicht besser bekannt als Nicole Steyer. Sie macht sich die Kinderverschickung jüdischer Kinder während des zweiten Weltkriegs nach England zum Thema und beleuchtet dabei gleichzeitig das Leben der zurückgebliebenen Eltern im kriegs-gebeutelten Deutschland. Die Wenigsten schafften es ihren Kindern in die Fremde zu folgen und lebten in Angst und Schrecken ob der jederzeit möglichen Deportation in eines der vielen Konzentrationslager. Auch Anni und ihrer Tochter Ruth geht es nicht anders. Mehr oder weniger im letzten Moment gelingt es der Mutter ihre Tochter auf die halbwegs sichere Countryside nach England zu schicken. Selbst zurück geblieben im gefährlichen Frankfurt betet sie täglich für deren Sicherheit.
Linda Winterberg überzeugte mich als Leserin mit ihrer liebevollen Beschreibung der verschiedenen Charaktere, selbst Nebendarsteller setzt sie überzeugend in Szene. Man sieht es beim Lesen förmlich vor Augen, das prächtige Frankfurt in Schutt und Asche. Aber auch schöne Bilder formen sich, z. B. von Georgina und Ruth in der Oper mit Glitzerkrönchen und Federboa …
Ob man das Ende des Buchs als ein Art Happy End bezeichnen kann, wage ich mir nicht anzumaßen. Zuviel ist passiert in all den Kriegsjahren. Zu viele Menschen mussten hungern, frieren und unendlich leiden. Dennoch gab es doch auch immer wieder Lichtblicke, so dass ich das Buch mit einem lächelnden und einem weinenden Auge zugeklappt habe.
Besonders gelungen fand ich das erklärende Nachwort. Hier lässt uns Linda Winterberg teilhaben an den wahren Geschichten, die das Leben schrieb und zeigte uns durch die Beschreibungen der Menschen auf, warum es ihr so wichtig war, dieses Buch zu schreiben. Hierfür von mir einen ganz besonderen Dank.
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04. Holunderliebe von Katrin Temple (08/2013)
Geschichtsstudentin Lena stößt während der Recherchen zu ihrer Doktorarbeit im Klostergarten von Reichenau am Bodensee auf eine Pflanze, die in der Gartenchronik nie erwähnt wurde. Doch keiner will ihr im Kloster Auskunft geben. Ihre Suche führt Lena zurück in eine Zeit, in der allein die Kräuterkunde Rettung bei schweren Krankheiten bot. Und zu einem vergessenen Heilkraut, das ein junger Adeliger einst aus dem Emirat von Cordoba mitgebracht und heimlich im Garten gepflanzt hatte. Der Kraft dieser Pflanze verdankte seine große Liebe das Leben. Ganz allmählich kommt Lena dem uralten Geheimnis des Klosters auf die Spur – und entdeckt dabei auch ihre eigenen Wurzeln...
Note 3: Eigentlich ein interessante Geschichte, die sich in einem Rutsch lesen ließ. Ich erwartete eine leichte Sommer-/Urlaubslektüre und wurde nicht enttäuscht. Im Gegenteil, das Buch beleuchtete ein Thema, mit dem ich mich so noch nicht befasst hatte, die Kräuterkunde und der Krieg der Mauren im frühen 9. Jahrhundert. Man lernt doch nie aus. Was mir allerdings so gar nicht gefallen hat, waren die vermeintlichen Träume der jungen Lena. Diesen Teil der Geschichte hätte man meiner Meinung nach anders verpacken können um ihn glaubhaft zu machen. Das war mir dann doch ein bisschen zu viel Fantasie. Ein netter Twist gibt der Geschichte am Schluss aber nochmal eine ganz neue Dynamik, was mir gut gefallen hat. Alles in allem nett, aber kein Muss.
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05. Engel der Themse von Anne Breckenridge (09/2016)
England, 1864: Im viktorianischen London werden immer wieder Kinder vermisst, die Kinder der Ärmsten. Der Schatten holt sie, sagen die Leute. Die Polizei unternimmt nichts. Auch nicht, als der neugeborene Bruder von Gladys verschwindet.
Dann verschwindet der Sohn eines Lords, und diesmal wird die Polizei aktiv. Das vorlaute Küchenmädchen Emma gerät in Verdacht und muss fliehen. In den Straßen von London trifft sie Gladys. Keine traut der anderen. Doch als auch der zweite Sohn des Lords vermisst wird und die Polizei alle Schuld bei Emma sucht, müssen sie sich zusammenraufen. Nur gemeinsam können sie den Schatten besiegen und das Kind retten. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt …
Note 1-2: Beim Lesen habe ich mich bereits gefragt, wie ich dieses Buch beschreiben würde. Ich glaube, nun habe ich den richtigen Ausdruck gefunden: „atmosphärisch dicht“. Selten konnte ich mich so in die Protagonistinnen, also die beiden jungen Mädchen und ihre missliche Lage hinein versetzen wie in diesem viktorianischen Kriminalroman. Die Beschreibungen des Lebens in London im Jahr 1864 sind absolut fantastisch. Man sieht sie vor sich, die Armut, die Menschen, die ihren letzten Farthing lieber dem Gin spenden als ihre Kinder zu ernähren, die Kinder, die deshalb mit rotzverkrusteten Gesichtchen an der Straße stehen und betteln. Die schönen Momente der Kinder der armen Leute sind selten. Schon früh lernen sie tough zu sein, sich im wahrsten Sinne des Wortes durchzuboxen.
Emma und Gladys geht es da nicht besser. Wem können sie trauen? Können sie sich gegenseitig trauen? Sind die „Blauen“ der Polizei hier Freund oder Feind? Was geschah denn nun wirklich mit dem kleinen Lord? Und wer ist der vermeintliche Schatten, der sein Unwesen in London treibt? Eine rasante Jagd durch das düstere, stickende London beginnt.
Ich hoffe, die Autorin hat noch viele gute Ideen für feine Krimis dieser Art. Mir hat das Buch sehr gut gefallen.
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06. Der geheime Brief von Maria Ernestam (08/2013)
Die Welt scheint stillzustehen, als die vierzigjährige Fotografin Inga ihren Mann bei einem Autounfall verliert. Um wieder zu sich zu kommen, zieht sie sich auf die Insel Marstrand zurück, auf der ihre Familie seit Generationen ein Sommerhäuschen besitzt. Beim Aufräumen findet sie eine rätselhafte Kiste mit Briefen – adressiert an ihre Großmutter Rakel. Verfasserin ist eine Frau in Afrika, die sich dort offenbar während des ersten Weltkriegs als Missionarin aufhielt. Und je mehr Inga über die Briefeschreiberin und deren Beziehung zu ihrer Familie erfährt, desto entscheidender verändert sich auch ihr eigenes Leben...
Note 1: Ich bin ganz begeistert von diesem Buch, von dem ich mir eigentlich gar nicht viel erwartet hatte. Die Autorin, die nicht nur mit Schweden sondern auch mit Deutschland sehr eng verbunden ist, hat mich überrascht. Mit sehr viel Tiefgang erzählt sie die Geschichte zweier Mädchen, die der Zufall 1916 zusammengeführt hat, deren Freundschaft jedoch vorbestimmt gewesen zu sein scheint. Sie sehen sich nicht nur ähnlich wie Schwestern sondern haben auch ein gleiches Schicksal erlitten. Sie finden sich mitten im zweiten Weltkrieg als junge Hausmädchen im reichen Haushalt des Schuhfabrikanten Otto. Ihr Leben ist von Hunger und Armut geprägt, doch nach und nach hält eine zaghafte Form von Liebe Einzug in ihrem jungen Leben. Doch genau dadurch wird das Leben immer komplizierter für sie. Sie verstricken sich in Beziehungen, die verworrener kaum sein können und auch hier gilt das Sprichwort „Drei sind einer zu viel!“ … diese Erinnerungen lässt Rakel im Jahr 1959 auf ihrem Sterbebett an sich vorüberziehen. Dieselben Entdeckungen macht währenddessen die Fotografin Inga. Wie werden sich ihrer aller Hintergründe zu einem großen Bild zusammenfügen?
Nach den ersten paar Seiten fand ich das Buch erst verwirrend und stellte mich schon fast auf einen Abbruch ein. Wie hat es sich doch gelohnt, bei der Stange zu bleiben. Ganz langsam und sanft fügen sich die Steinchen zu einem großen Puzzle zusammen. Immer mehr Licht fällt hier in das Dunkel des Jahres 1916 und was wirklich geschah an der Küste der Insel Marstrand im Sommer der verhängnisvollen Schlacht am Skagerrak, der größten Schlacht im ersten Weltkrieg, der so vielen jungen Männern das Leben kostete. Maria Ernestam hat ein wundervolles Händchen den Leser so in die Geschichte zu ziehen, das er sich erst wieder lösen kann, wenn er die letzte Zeile gelesen hat. Mir hat das Buch sehr gut gefallen!
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07. Die letzte Hanseatin von Lena Falkenhagen (01/2013)
1467: Die Lübecker Kaufmannstochter Elise Lipperade stößt in ihrer Heimatstadt auf eine mysteriöse politische Intrige: ein blutiger Zwischenfall soll England und die Hanse in den Krieg treiben. Und die Verschwörung könnte ihren Schwiegervater das Leben kosten. Um ihn zu retten, fährt die junge Frau ins ferne London. Hier brodelt ein Konflikt, der über Leben und Tod, Krieg und Frieden sowie den Bestand der Hanse entscheiden wird.
Note 2: Ich liebe es ja grundsätzlich, wenn ich Angenehmes mit Nützlichem verbinden kann. Und genauso ging es mir mit diesem Buch. Während ich die Geschichte genossen habe, habe ich doch nebenbei auch noch unheimlich viel zur Geschichte der Hanse im 17. Jahrhundert gelernt. Die Autorin versteht sich vorzüglich darauf, diese in ihrem Buch zu verarbeiten. In den Mittelpunkt stellt sie Elise Lipperade, die vor nicht allzu langer Zeit ihren Mann verlor und nun mit ihrem kleinen Sohn Hendrik im Haus ihres Schwiegervaters wohnt. Doch der Frieden täuscht, denn der Sekretär, des sich in London befindlichen Schwiegervaters, droht ihr mit Verleumdungsklagen und Schlimmerem, sollte sie im nicht zu Willen sein. Schweren Herzens begibt sie sich auf eine gefährliche Reise, deren Ausgang in den Sternen steht …
Sehr anschaulich schildert Lena Falkenhagen das Leben und Streben in den Jahren 1467 – 1469. Der 30jährige Krieg hatte mit dem Westfälischen Frieden endlich ein Ende gefunden und es sollte wieder aufwärts gehen. Doch nicht alle zogen an einem Strang. Die Hanse wackelte. Seit Beginn des 17. Jahrhunderts war der stolze und mächtige Städtebund der Hanse nur noch dem Namen nach ein Bündnis, das sich allerdings mit einigen Städten des engeren Kerns gegen diese Entwicklung wehrte. Wie spannend sich diese Entwicklung auf Familie Lipperade und andere Familien auswirken wird, kann man wunderschön in diesem Buch nachverfolgen. Eine zarte Liebesgeschichte am Rande lockert das „trockene“ Geschichtswissen auf ganz zauberhafte Weise ein wenig auf. Mir hat es mit ein paar ganz kleinen Abstrichen sehr gut gefallen.
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08. Kaninchenherz von Annette Wieners (06/2015)
Friedhofsgärtnerin Gesine Cordes ist schockiert, als sie sieht, für wen die Beerdigung am heutigen Tag ist: Ihre eigene Schwester Mareike wird begraben. Seit zehn Jahren haben sich die beiden Schwestern nicht mehr gesehen. Seit Gesines Sohn unter bis heute ungeklärten Umständen ums Leben kam. Beide gaben sich gegenseitig die Schuld an seinem Tod. Gesine hat damals alles verloren. Ihre Arbeit als Kriminalkommissarin, ihre Wohnung, ihre Familie. Warum musste ihre Schwester sterben? War es Mord? Was wissen die Eltern? Als Gesine nachforscht, stößt sie auf eine Mauer des Hasses.
Note 1: Ein ungewöhnliches Buch mit einem ebenso ungewöhnlichen Fall. Die ehemalige Kommissarin Gesine Cordes trägt schwer an den Ereignissen der Vergangenheit, die damals ihre ganze Familie entzweit haben. Sie hat nicht nur ihr Kind verloren, sondern sich auch mit ihren Eltern und ihrer Schwester überworfen, ganz zu schweigen von der Zerrüttung ihrer Ehe. Sie zieht sich immer mehr zurück, droht total abzugleiten bis sie Pflanzen für sich entdeckt, die ihr schließlich ihre Anstellung als Friedhofsgärtnerin verschaffen. Ihr Leben läuft in halbwegs geregelten Bahnen, doch dann kommt ihre Schwester ums Leben. Ihr eigenes wird dadurch vollkommen auf den Kopf gestellt bis hin zum ausgesprochenen Mordverdacht …
Die Geschichte, die hauptsächlich in der Gegenwart spielt, blickt immer mal wieder auf den Vorfall vor 10 Jahren zurück, den schrecklichen Nachmittag als ihr Sohn sich mit einer Gartenpflanze vergiftete. Sicher trug das zu Gesines schon fast obsessivem Bedürfnis bei, diese Pflanzen zu erforschen. Einige Auszüge aus ihrem privaten Notizbuch der Giftpflanzen finden sich in dem Buch wieder. Ganz langsam wird die Spannung aufgebaut. Die verschiedenen Charaktere werden beleuchtet, und immer wenn man denkt, nun weiß man wie es abgelaufen war, verläuft die Spur im Sand. Der flüssige Schreibstil lädt dazu ein, das Buch in einem Rutsch zu lesen. Ich habe mit Gesine mitgelitten und bin nun sehr gespannt, wie es im nächsten Teil weitergehen wird. Wird man ihr vom Kommissariat ein Angebot machen, zu dem sie nicht nein sagen kann? Wird ihr Exmann wieder auftauchen? Fragen über Fragen, ich freue mich schon auf Band zwei.
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09. Sitzen ist fürn Arsch von Dr. Vivien Suchert (06/2017)
Neueste Studien belegen: Sitzen ist für die Gesundheit schädlicher als Rauchen.
Evolutionär ist der Mensch zum Laufen gemacht. Doch was tun wir? Ob Auto, Büro oder Sofa – wir wechseln von einer Sitzgelegenheit zur nächsten. Und handeln uns damit allerlei Übel ein: von Rückenbeschwerden, Übergewicht und Diabetes bis hin zu Depressionen, Herzkrankheiten und Krebs. Die junge Wissenschaftlerin Vivien Suchert erklärt in diesem eigenhändig illustrierten Buch unterhaltsam, wie wir das Laufen verlernt haben, wo Sitzfallen lauern und warum Sport nur die halbe Miete ist.
Note 1: Gespickt mit wunderbaren kleinen Zeichnungen zeigt uns die sympathische Autorin Vivien Suchert – ich hatte das Glück sie in einer Leserunde kennenlernen zu dürfen – den Weg in die richtige Richtung ohne dabei auch nur einmal oberlehrerhaft zu wirken. Sie holt weit aus und katapultiert den Leser zurück in die Steinzeit. Die Erklärungen warum wir eigentlich nicht zu Sitzen geschaffen sind, verdeutlicht sie anhand von Ottfried, dem Steinzeitmenschen, mit viel Charme aber auch sehr viel fundiertem Wissen. Das Buch ist gegliedert in verschiedene Abschnitte im Zusammenhang mit der Sitztätigkeit an sich, manche wissenschaftlicher als andere, aber immer auch für den Nichtmediziner gut verständlich. Sie sind gespickt mit vielen Tipps, die sich problemlos in den eigenen Alltag integrieren lassen und wirken hochmotivierend. In einer persönlichen Widmung schrieb mir die Autorin: „Ich hoffe, das Buch gibt dir den nötigen kleinen ‚Arschtritt‘ … liebe Vivien, ich glaube, das hast du geschafft. Ich werde das Buch gerne weiterempfehlen und ab und zu selbst mal wieder einen Blick hinein werfen. Man kennt ihn ja den inneren Schweinehund. Im Nu fühlt der sich sonst wieder pudelwohl
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10. Swing Time von Zadie Smith (08/2017)
Als sich die beiden Mädchen zum ersten Mal begegnen, fühlen sie sich sofort zueinander hingezogen: Die gleiche Leidenschaft fürs Tanzen und für Musicals verbindet sie, doch auch derselbe Londoner Vorort und die Hautfarbe. Ihre Wege trennen sich, als Tracey tatsächlich Tänzerin wird und erste Rollen in Musicals bekommt. Ihre Freundin wiederum jettet als Assistentin der berühmten Sängerin Aimee um die Welt. Als Aimee in Westafrika eine Schule gründen will, reist sie ihr voraus und lässt sich durch das Land, in dem ihre Wurzeln liegen, verzaubern und aus dem Rhythmus bringen.
Note: keine, da Abbruch. Es passiert mir selten, aber manchmal muss es einfach sein. Ich habe knapp vor der Hälfte aufgegeben, da sich mir der Sinn hinter der Geschichte nicht erschloss. In oft wirren Zeitsprüngen führt uns die Autorin durch ihr Buch. Obwohl der Schreibstil sehr flüssig ist, muss man sich doch sehr konzentrieren um zu verstehen, in welcher Phase des Lebens sich die Protagonisten eigentlich befinden. Es werden unheimlich viele Themen angeschnitten, z. B. die Vorurteile gegenüber dunkelhäutiger Menschen, die Armut vieler Familien, Drogenmissbrauch, sexuelle Übergriffe - auch schon im Kindesalter, und, und, und … aber genau das meine ich, sie werden angeschnitten und verlaufen dann irgendwie im Sand, was mich als Leser doch etwas unbefriedigt zurück ließ. Nachdem ich das Buch „Zähne zeigen“, auch von Zadie Smith, geliebt habe, war ich von dieser hochgelobten Story enttäuscht. Ich persönlich kann den Hype nicht verstehen.
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11. Der gestreifte Affe von Virginia Doyle (04/2016)
Heinrich Hansen, im ersten Roman „Die rote Katze“ noch Polizeianwärter, übernimmt nun im zweiten Band der Trilogie die Leitung der Davidwache. 1922 gleicht St. Pauli einem Hexenkessel. Illegales Glücksspiel, Prostitution, Rauschgifthandel und organisiertes Verbrechen greifen um sich. Zudem erschüttert ein grauenvoller Mord das Viertel. Für Hansen beginnt der schwierigste Fall seines Lebens.
Note 1: Gleich zu Anfang des Buchs hatte ich direkt ein Déjà-vu Erlebnis. Ich dachte erschrocken: „Das gibt es doch nicht!“ Damals wie heute - unser schönes Hamburg in den Fängen marodierender Schergen! Neuzeitlich spiele ich hier natürlich auf den eben beendeten G-20 Gipfel an, der im Juli 2017 in Hamburg stattfand und die Stadt in den Ausnahmezustand versetzte. Krawalle, Brandstiftungen und Prügeleien gehörten vier Tage lang zur traurigen Tagesordnung. Das gab es doch noch nie!
Robert Brack alias Virginia Doyle belehrt uns mit diesem Buch eines Besseren. Auch in den 20er Jahren brodelte es in Hamburg, besonders rund um den Kitz. Arbeiter und Beamte konnten nicht mehr bezahlt werden, das Geld verlor täglich an Wert und die Menschen hatten Hunger. Immer wieder kam es zu bewaffneten, militanten Auseinandersetzungen, die so mancher mit dem Leben bezahlte. Wenn es in der Regierung nicht mehr stimmt, machen die Menschen ihre eigene Politik und der Drogenhandel, Bordelle etc. erlebte ihren Höhepunkt. Mittendrin finden wir Heinrich Hansen, der dank seiner Beförderung zum Leiter der David Wache aufgestiegen ist. An allen Ecken und Enden sind Brände zu löschen und nicht nur der „gestreifte Affe“ hält die Polizei in Atem. Verbissen verfolgt Hansen nebenher jedoch auch seine ganz persönliche Vendetta. Was geschah wirklich als vor vielen Jahren sein eigenes Elternhaus einer Brandstiftung zum Opfer fiel und seine gesamte Familie auslöschte? Oder besteht nach all den Jahren vielleicht doch noch Hoffnung, dass die Schwester lebt? Immer wieder stößt er auf Mitglieder seiner ehemaligen Jugendclique, den „Kaperfahrern“. Hatten sie wirklich ihre Finger im Spiel?
Für die Frauenwelt scheint Heinrich nicht geschaffen, mal wieder schafft er es, seine „Verlobte“ zu vergraulen. Aber für die Polizei ist er unersetzlich. Mit Scharfsinn, Mut und hin und wie ein bisschen Glück kommt er seinem Ziel näher. Mit Spannung habe ich jede Seite umgeblättert und bin schon riesig gespannt auf den Abschluss der Trilogie. Von mir ein absolute Leseempfehlung aber unbedingt in der richtigen Reihenfolge.
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12. Das Café unter den Linden von Joan Weng (07/2017)
Frühling 1925: Als Fritzi in Berlin ankommt, bringt sie nicht mehr mit als ein gebrochenes Herz, eine Reiseschreibmaschine und einen Traum: bei der UFA Drehbücher schreiben. In der schillernden Metropole findet sie sich schnell in einem Kreis von Malern, Schriftstellern und Musikern wieder, die das Leben und die Kunst feiern. Und dann trifft sie einen Mann, der alles für immer verändern wird. In einem Café unter den Linden …
Note 1: Dies ist für mich das dritte Buch der jungen, talentierten Autorin Joan Weng und ich muss sagen, mit jedem Buch steigert sie sich wieder ein bisschen mehr, die Geschichten scheinen ihr nur so aus der Feder zu fließen!
Auch diesmal nimmt sie uns mit auf eine Reise ins Berlin der 20er Jahre. Aus dem tiefen Schwabenland entflieht das Tippfräulein Fritzi mit Liebeskummer im Herzen in die Großstadt und ist sofort fasziniert. Nach einem ziemlich holprigen Start fühlt sie sich schließlich beflügelt … die Welt steht ihr offen, wenn sie nur entschlossen genug dafür kämpft. Sie lässt sich nicht unterkriegen von ihren Niederlagen, denn sie ist überzeugt, dass sie es schaffen wird.
Begleitet wird sie von zauberhaften, zickigen, herablassenden aber auch liebevollen Charakteren … wir lernen ihre neue Freundin Inge kennen, die so gerne Schauspielerin wäre. Wir lassen uns mit Fritzi von dem etwas kuriosen Paar Wlad und Rosa verwöhnen. Wir teilen mit ihr Freude aber auch Kummer auf der quietschgelben Couch, wir essen mit ihr Vanillepudding, wir gehen mit ihr zum Schwofen aber vor allem sind wir mit dabei, wenn die Liebe sie wie ein Donnerschlag erwischt!
Joan schafft es perfekt die damalige Atmosphäre knapp hundert Jahre später wieder zum Leben zu erwecken. Der bildhafte Schreibstil lässt sie auferstehen, die Welt des Glitzers und des Glamours aber auch die Schattenseiten im manchmal sehr hungrigen Berlin der damaligen Zeit. Wir treffen alte Bekannte, wie den schönsten Mann von UFA, den Grafen Sawicki aber z. B. auch die Metzgerstochter Augusta, verheiratete Genzer und, und, und … es fühlt sich fast ein bisschen wie Familie an und schon beim Lesen dieses Buchs sehnt man sich nach einem weiteren Treffen in nicht allzu ferner Zukunft in Berlin … gerne auch direkt zum Cherry Cobbler im Café unter den Linden …
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13. Nachtblau von Simone van der Vlugt (07/2017)
Die junge Haushälterin Catrijn ist begeistert, als sie mit ihrer Dienstherrin den großen Rembrandt besuchen darf. Sie selbst kann gut malen, übt ihr Talent aber nur heimlich aus. Als die Schatten der Vergangenheit sie einholen und sie fliehen muss, findet sie Unterschlupf bei dem Besitzer einer Porzellanfabrik in Delft. Zusammen mit Evert beginnt sie, die faszinierende Keramik zu verzieren, die sich weltweit einen Namen machen wird: Das Delfter Porzellan. Doch das Glück mit der nachtblauen Farbe ist nur von kurzer Dauer. Catrijn weiß, dass sie für eine vergangene Sünde zahlen muss.
Note 2: Für die damalige Zeit ist die Witwe Catrijn eine sehr starke junge Frau. Allein den Mut aufzubringen nach dem Tod ihres trunksüchtigen und gewalttätigen Mannes in eine fremde Stadt aufzubrechen, ist doch sehr ungewöhnlich. Sie macht ihr Glück kurzzeitig in Amsterdam, wo sie bei einem bessergestellten Ehepaar im Haushalt unterkommt. Die Frau, von ihrer eigenen Malkunst recht eingenommen, ermöglicht ihr einen kleinen Einblick in das Leben der Kunst, ja sogar eine Stippvisite bei dem bekannten Rembrandt findet statt. Doch dieses Glück ist ihr nicht vergönnt und so zieht sie schweren Herzens weiter nach Delft. Auch hier erlaubt es ihr ein Wink des Schicksals, wieder mit der Malkunst verbunden zu sein und unter anderem den bekannte Maler Jan Vermeer zu treffen, vielen bekannt durch „Das Mädchen mit dem Perlohrring“. Wird sie hier am Ende glücklich werden?
Die Autorin hat mit diesem Buch ein vielseitiges und höchst interessantes Thema angerissen, die Kunst der Herstellung des „holländischen Porzellans“. Jeder der sich für Porzellan und Keramik interessiert, kommt an der berühmten Delfter Keramik natürlich nicht vorbei. Während Frau van der Flugt es geschafft hat, den roten Faden durch das ganze Buch hindurch aufrecht zu erhalten und so eine in sich stimmige und runde Geschichte zu schreiben, hätte ich mir an vielen Stellen noch mehr Detail und Tiefgang gewünscht. Es war eine spannende Zeit im 17. Jahrhundert in den Niederlanden, wie viele Ereignisse im Buch sehr schön beweisen. Ich hatte jedoch oft das Gefühl, dass die Autorin durch das Buch rennt und genau diese nur am Rande streift. Beispielsweise den „Delfter Donnerschlag“ – die Explosion eines riesigen Pulverarsenals – bei dem auch unsere Protagonistin verletzt wurde und die hunderten von Delftern das Leben kostete, oder der Ausbruch der Pest, und, und, und … ich könnte noch einiges aufzählen. Am Anhang im Buch kann man erkennen, dass die Autorin durchaus gut recherchiert hat. Schade, dass sie dieses Recherchewissen nicht ein bisschen gründlicher im Buch verarbeitet hat.
Alles in allem eine schöne Geschichte, die meines Erachtens nach leider zu schnell zu Ende war.
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Ich habe gehört:
01. Das Hexenmädchen von Max Bentow (09/2013)
Den Berliner Kommissar Nils Trojan erwartet ein albtraumhaftes Szenario, als er mitten in der Nacht am Schauplatz eines Verbrechens eintrifft: Ein Mann wurde in seiner eigenen Küche auf grausame Weise hingerichtet. Und noch bevor Trojan Atem holen kann, schlägt der Mörder wieder zu. Der Kommissar hat nicht den geringsten Anhaltspunkt, doch nachdem zwei kleine Mädchen spurlos verschwinden, beschleicht ihn der Verdacht, dass ein Zusammenhang zwischen den Fällen besteht … Warum haben die Kinder von einer mysteriösen „Hexe“ gesprochen, die sie in Angst und Schrecken versetzt? Und warum fühlte er sich beim Anblick der Mordopfer an ein bekanntes Kindermärchen erinnert?
Note 3: Obwohl natürlich wieder hervorragend vorgetragen von Axel Milberg, der für mich die wahre Verkörperung des Kommissars Nils Trojan darstellt, verdient dieser vierte Teil zum ersten Mal nicht die Bestnote, wie sonst seine Vorgänger.
Die Idee, ein Märchenmotiv der Gebrüder Grimm zu wählen, fand ich zunächst nicht schlecht, es erinnerte mich jedoch etwas an den Thriller „Wolfsfährte“ von Craig Russell, bei dem Kommissar Fabel einen Täter verfolgt, der von den Grimmschen Märchen geradezu besessen ist. Etwas übertrieben war vielleicht die Namensgebung der beiden „Kindopfer“ mit Grit und Hannes, die mir doch schon fast ein bisschen zu dicht bei Hänsel und Gretel und der bösen Hexe lag.
Ganz langsam, und ich meine wirklich ganz langsam erst, entwirrt sich nach vielen Kapiteln des Thrillers das Knäuel der Handlungsstränge, hier hätte ich mir vielleicht ein bisschen mehr roten Faden gewünscht. Die Vorstellung, dass die vermeintlichen Täter im Ofen braten mussten verursachte mir Gänsehaut, war aber mal eine ganz neue Variante, die ich kreativ fand. Alles in allem wurde der Fall schlussendlich gut und stimmig gelöst, was mich mit der Langatmigkeit wieder etwas versöhnt hat. Ein bisschen Privatleben nehmen wir auch mit, man darf gespannt sein, wie es weitergehen wird.
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02. Die Känguru Chroniken von Marc-Uwe Kling (01/2013)
Marc-Uwe Kling lebt mit einem Känguru zusammen. Das Känguru ist Kommunist und steht total auf Nirvana. Die Känguru-Chroniken berichten von den Abenteuern und Wortgefechten des Duos. Und so bekommen wir endlich Antworten auf die drängendsten Fragen unserer Zeit: War das Känguru wirklich beim Vietcong? Und wieso ist es schnapspralinensüchtig? Könnte man die Essenz des Hegelschen Gesamtwerkes in eine SMS packen? Und wer ist besser: Bud Spencer oder Terence Hill?
Note 2: Heute Morgen fertig gehört, nachdem ich mich die letzten Tage im Auto oft schlapp gelacht habe. Das ist wirklich mal ein witziges Hörbuch, auf dessen beide Nachfolger ich mich sehr freue. Das Schöne an einem eigenen Känguru ist einfach, dass man ihm alles in den Mund legen kann, was einem so einfällt. Denn wer will schon ein Känguru für seine Reden und Sprüche verantwortlich machen? Nichts und Niemand werden hier verschont und aus sehr schräge Art ins Visier genommen. Genau die Art von scharfem Sarkasmus, wie ich ihn liebe und wie ihn viele oft nicht so verstehen. Einen kleinen Abzug gebe ich allerdings. Ich muss gestehen, dass es mir manchmal ein klitzekleines bisschen zu überzogen war und doch ein paar winzige Längen hatte. Dennoch mache ich weiter, natürlich mit einer Großpackung Schnapspralinen
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03. Die Winterrose von Jennifer Donnelly (01/2013)
London, 1900: Die junge India Selwyn-Jones bewegt sich in den feinsten Kreisen. Bis sie als Ärztin im berüchtigten Whitechapel zu arbeiten beginnt - und dort in leidenschaftlicher Liebe zu dem gefürchteten Gangsterboss Sid Malone entbrennt. Von der gefährlichen Unterwelt Londons bis nach Afrika und in die Neue Welt führt ihr Weg.
Note 2: Leider habe ich ein bisschen zu viel Zeit zwischen dem ersten und diesem zweiten Teil der Rosen-Trilogie verstreichen lassen und brauchte deshalb ein Weilchen, bis ich mich eingehört hatte und auch wieder mit den Charakteren vertraut gemacht hatte.
Die Geschichte, die diesmal einige Jahre später, nämlich um das Jahr 1900 in London, spielt, bringt uns wieder mit alten Bekannten zusammen. Es gibt ein Wiedersehen mit Fiona und Joe, die mit ihren Kindern in London leben. Aber hauptsächlich geht es diesmal um Fionas jüngeren Bruder Charlie, der nun als Gangsterboss Sid Malone über das ganze Londoner Eastend herrscht. Obwohl er inzwischen durch seine nicht immer ganz sauberen Geschäfte ein kleines Vermögen angehäuft, scheint er im Herzen ein guter Mensch geblieben zu sein.
Des Weiteren begegnen wir einer wichtigen Person in diesem zweiten Teil, India Selwyn-Jones, die Tochter einer Adelsfamilie, die als eine der wenigen Frauen in dieser Zeit ein Medizinstudium abgeschlossen haben. Ihr größter Wunsch ist es, den armen Familien zu helfen und so lernt sie im Eastend schließlich Sid kennen. Von Anfang an übt er eine unglaubliche Anziehungskraft auf sie aus. Die Beiden beschließen nach langem Ringen einen gemeinsamen Neustart in der Neuen Welt, der jedoch von Indias vermeintlichem Verlobten Freddie durchkreuzt wird. Der steinige aber auch spannende Weg nimmt hier seinen Anfang …
Durch India, Sid und auch Fionas Bruder Seamas lernen wir mit der Autorin das Britische Empire kennen, das sich weit über die Grenzen der Insel hinaus streckt. Jennifer Donnelly schafft in dem Hörbuch eine lebhafte Stimmung, die das Buch für mich zu einem Hörgenuss machte. Einen kleinen Abzug gibt es nur, da manchmal ein wenig zu oft der Zufall in die Geschichte reinspielte. Nun werde ich den dritten Teil zügig hinterher hören und freue mich schon auf den Abschluss der Trilogie.
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04. Wenn das Herz im Kopf schlägt von Mechtild Borrmann (01/2008)
Der alte Gietmann ist tot. Sie finden seine Leiche grausam zugerichtet auf einem Feldweg inmitten der endlosen Felder des Niederrheins. Noch am gleichen Tag erscheint in der örtlichen Tageszeitung seine Todesanzeige. "Begrenzt ist das Leben, doch unendlich die Erinnerung." Peter Böhm und seine Kollegen von der Kripo Kleve stoßen bei ihren Nachforschungen überall im Dorf auf Schweigen. Als drei Tage später eine weitere Männerleiche gefunden wird, macht sich unter den Bewohnern des Ortes Angst breit.
Note 1: Für mich das beste Hörbuch seit langem. „Ja, genau so hätte es passieren können … in jeder beliebigen ländlichen Gegend in Deutschland …“ Nicht nur dass Johann Behrens der größte Bauer in der Gegend nahe der holländischen Grenze ist, nein, er holte sich auch noch eine „Vornehme“ aus Ostpreußen. Das kann nur Neid unter der Bauern der Umgebung schüren. Auf dem Rücken von Johanns Frau Magdalena wird schließlich alles ausgetragen, bis ein Unglück geschieht … Selten habe ich einen Kriminalroman gehört oder gelesen, der auf solch hohen literarischen Niveau geschrieben wurde. Hier stimmt einfach die Atmosphäre. Frau Borrmann taucht ein in das ländliche Leben der 60er Jahre, das sich auch im Jahr 2001 nicht wesentlich geändert hat. Missgunst scheint hier an der Oberfläche zu brodeln. Alte Wunden werden aufgerissen, als Anna Behrens auftaucht. Was ist Wahrheit, was Lüge … wem kann man eigentlich noch trauen? Schließlich holt die Bewohner die Vergangenheit doch ein …
Das (Hör)Buch strahlt eine sehr bedrückende Stimmung aus und dennoch kann man nicht aufhören. Ich bin mal wieder begeistert von dieser talentierten Autorin und ebenso von dem begabten Sprecher, Jürgen Holdorf, der genau den richtigen Ton getroffen hat.
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05. Die Wildrose von Jennifer Donnelly (01/2013)
Der Erste Weltkrieg wirft seine Schatten voraus. In den Straßen Londons weht ein rauer Wind, Frauen kämpfen für ihr Wahlrecht, während Polarforscher die entlegensten Ecken der Erde erkunden. Auch Seamus Finnegan und Willa Alden brennen für das Extreme. Gemeinsam erklimmen sie die unbezwingbaren Gipfel der Welt bis Willa bei einem tragischen Unfall am Kilimandscharo ein Bein verliert. Obwohl sich beide aufrichtig lieben, entzweit sie der Unfall. Erst als Willa nach Jahren der Zurückgezogenheit aus dem Himalaja nach London zurückkehrt, kreuzen sich ihre Wege ein zweites Mal.
Note 1-2: Dieser dritte und letzte Teil hat mir überraschenderweise besser gefallen als der Vorgänger. Hier hat sich die Autorin nochmal so richtig ins Zeug gelegt. Es ist ihr hervorragend gelungen, geschichtliche Begebenheiten und Romanfiguren gut miteinander zu verbinden. So treffen wir auf Lawrence of Arabia, der mit unseren Protagonisten Willa und Seamus bekannt ist. Wir erfahren so ganz nebenbei was es mit der Kriegsspionage – wohlgemerkt an allen Fronten – auf sich hatte. Gleichzeitig behandelt das Buch auch wichtige Fragen wie das Frauenwahlrecht und den ersten Weltkrieg zudem verweilen in England und reisen nach Afrika und Arabien – ganz wie vor über hundert Jahren.
Jennifer Donnelly hält den Spannungsbogen aufrecht und immer wieder fiebert man mit, ob die Beiden sich wohl „kriegen“ werden. Das Ende fällt ein wenig überraschend aber sehr zufriedenstellend aus. Ich freue mich, dass Kitsch und Rühriges so gut wie gar nicht zu finden sind. Ich würde sagen, mit der Wildrose hat die Autorin der Trilogie einen würdigen Abschluss beschert.