Re: Was habt ihr im "Dezember 2018" gelesen?
Verfasst: 3. Jan 2019, 15:10
Sodele ... hier kommt nun auch meine Leseliste ... die Hörbücher habe ich noch nicht rezensiert, die liefere ich nach
01. Die Töchter der Beginen von Gudrun Krohne (08/2018)
Magdeburg im Pestjahr 1350; die wenige Tage alte Hildegard wird vor dem Tor des Beginenkonvents am Ulrichstor abgelegt und wächst dort behütet und geliebt auf. Doch damit ist es siebzehn Jahre später vorbei. Ein Halbohr ist ihr auf den Fersen, bedroht Hildegards Leben und das aller Beginen. Als Retter ist stets ein rätselhafter Pilger zur Stelle. Oder führt er doch Übles im Schilde? Und auch die junge Anna, ein schmutziges, verlaustes Ding, Tochter einer schweifenden Begine, schleppt ein dunkles Geheimnis mit sich herum.
Gut das Ratsmann Peter Honstein seine schützende Hand über die Beginen hält und auch Witho mit seiner Bande jugendlicher Beutelschneider ein wachsames Auge auf Hildegard hat.
Doch mit der abgrundtiefen Bosheit des Halbohrs und seines Kumpans hat niemand gerechnet. Und schon bald gilt es das Leben.
Note 3: Es muss schon ein hartes Leben im Mittelalter gewesen sein. Desaströs, wenn man in die Armut hinein geboren wurde aber auch nicht gerade luxuriös im Reichtum, wenn man heutige Maßstäbe anlegt. Aber genau das soll man sicher nicht tun, denn was man nicht hat, kann man ja bekanntlich auch nicht vermissen.
Zu Anfang des Buchs war ich begeistert, mit welcher Liebe zum Detail die Autorin Gudrun Krohne dem Leser das tägliche Leben im 14. Jahrhundert nahebringt. Eingehend beschreibt sie die Kleidung, Nahrungszubereitung, Gerüche und Geräusche im Magdeburg der damaligen Zeit. Aber genau diese Detailverliebtheit ging mir ab der Hälfte ein wenig auf die Nerven. Die Geschichte an sich dagegen liest sich flüssig und endet mit einem schlüssigen Ende. Den eigentlichen Sterneabzug und damit leider nur eine Note im mittleren Bereich erhält die Autorin, bzw. ihr Lektorat, für das mangelhafte Korrekturlesen. Eigentlich hätte ich das Buch beim Aufklappen beinah wieder zugeklappt. Gleich auf der ersten Seite prangt ein fetter Fehler: Die Töchter der Beginen – ein hitorischer Roman. Wirklich schade, denn darauf hin werde ich mir den Nachfolgeband leider verkneifen.
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02. Die verlorene Schwester von Linda Winterberg (11/2018)
Bern, 1968: Nach dem Tod des Vaters werden die Schwestern Marie und Lena der kranken Mutter von der Fürsorge entrissen. Die Mädchen werden getrennt und an Pflegefamilien „verdingt“, bei denen sie schwer arbeiten müssen. Als eine der beiden schwanger wird, soll ihr das Baby weggenommen zu werden. Doch sie will die Hoffnung nicht aufgeben, mit ihrem Kind in Freiheit zu leben – und auch ihre Schwester wiederzufinden. Jahre später zeigt sich eine Spur, die nach Deutschland führt.
Note 3: Ich kann es gar nicht glauben, dass dieses Buch aus der Feder der gleichen Autorin stammt, die das wunderbare Buch „Solang die Hoffnung uns gehört“ geschrieben hat, welches bei mir seinerzeit eine Topbewertung erhalten hatte. Ich hatte mich sehr auf ihr neuestes Werk gefreut. Ein Werk, welches ein dunkles Kapitel der Geschichte beleuchtet und ein Thema, das erschreckenderweise noch gar nicht so lange zurück liegt. Ich hatte zu den sogenannten Verdingkindern schon einige Berichte gelesen und war nun sehr gespannt, wie Linda Winterberg diese erschütternden Vorkommnisse in einem Roman verarbeiten würde. Umso enttäuschter war ich feststellen zu müssen, dass sie das leider auf recht vorhersehbare und leicht kitschige Art tat, dazu in recht einfacher Sprache geschrieben. Da es sich dennoch flüssig lesen ließ, vergebe ich eine Note im mittleren Bereich. Eine wirkliche Leseempfehlung möchte ich jedoch nicht aussprechen. In mir weckte der Roman nicht wirklich viel Empathie. Schade, hier hätte man viel mehr daraus machen können.
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03. Piccoli Sicilia von Daniel Speck (10/2018)
Was, wenn deine Familie in Wahrheit eine andere ist?
'Piccola Sicilia', das italienische Viertel der farbenfrohen Mittelmeerstadt Tunis, 1942. Drei Religionen leben in guter Nachbarschaft zusammen. Bis der Krieg das Land erreicht. Im Grand Hotel Majestic begegnet der deutsche Fotograf Moritz dem jüdischen Zimmermädchen Yasmina. Doch sie hat nur Augen für Victor, den Pianisten. Als Victors Leben auf dem Spiel steht, kann allein Moritz ihn retten.
Sizilien, heute: das Mittelmeer, glitzerndes Blau. Schatztaucher ziehen ein altes Flugzeugwrack aus der Tiefe. Die Berliner Archäologin Nina sucht ihren verschollenen Großvater Moritz und trifft eine unbekannte Verwandte aus Haifa, die ihr Leben auf den Kopf stellt. Gemeinsam enthüllen sie ein faszinierendes Familiengeheimnis.
Drei Frauen aus drei Ländern und drei Kulturen – verbunden durch eine Liebe, die alle Grenzen überwindet. Inspiriert von einer wahren Geschichte.
Note 1: Ich gebe zu, ich war ein wenig skeptisch, ob es dem Autor gelingen würde, mich mit seiner neuen Familiengeschichte zu überzeugen. Meine Zweifel waren vollkommen unbegründet, Ich liebe dieses Buch!
Daniel Speck hat mit seinem Roman, der zwar auf zwei Zeitebenen, jedoch hauptsächlich in der Vergangenheit spielt, eine ganz wunderbare Atmosphäre in der mediterranen Stadt Tunis der frühen 40er Jahre geschaffen. Er zeigt, dass es damals durchaus möglich war, in einer multikulturellen Gemeinschaft zu leben, gemeinsam zu lachen und zu weinen, sich gegenseitig zu helfen und füreinander da zu sein. Erst der ausbrechende Krieg, der auch vor den Toren Nordafrikas nicht halt machte, säte Missgunst und brachte eine Unruhe in das Leben der an sich friedliebenden Einwohner, die genau diese Gemeinschaft zerstörte.
Als Leser dürfen wir die jüdische Familie Sarfati mit dem Familienoberhaupt Dottore Albert Sarfati, seiner Frau Mimi, deren Sohn Victor und die adoptierte Yasmina kennenlernen. Was anfangs so harmonisch begann wird zu Nichte gemacht als Yasmina sich in ihren charismatischen Adoptivbruder verliebt. Den Höhepunkt aber erreicht die Geschichte als der deutsche Fotograf und Soldat Moritz ins Spiel kommt. Yasmina ist nach wie vor besessen von Victor, doch bald wird nichts mehr so sein wie es mal war.
In der Gegenwart lernen wir Nina kennen, die auf der Suche nach ihrem Großvater nach Sizilien gekommen ist. Her lernt sie Joelle kennen, die von sich behauptet seine Tochter zu sein. Nach und nach, mit immer wieder ausbrechenden Zweifeln, wird das Deckmäntelchen der Geschichte gehoben und Nina muss sich fragen, wer er denn nun wirklich war, ihr Großvater, der drei Generationen ihrer eigenen Familie unglücklich gemacht hat.
Meiner Ansicht nach ist der Roman sehr stimmig, bildhaft und teilweise richtig spannend geschrieben. Sehr gut gemacht, lieber Daniel Speck!
Auf Seite 536 finden sich Auszüge dieses wunderbaren Gedichts, dass ich hier – auch zum besseren Verständnis – gerne mit aufführen möchte. Mich hat es fast zu Tränen gerührt.
Eure Kinder
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,
aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben,
aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen,
das ihr nicht besuchen könnt,
nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts
noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und er spannt euch mit seiner Macht,
damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt eure Bogen von er Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
Khalil Gibran
(* 06.01.1883, † 10.04.1931)
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04. Mord in Babelsberg von Susanne Goga (02/2014)
Berlin 1926. Im Hof einer eleganten Wohnanlage in Kreuzberg wird die Leiche einer Frau entdeckt, die mit einer Scherbe aus rotem Glas erstochen wurde. Kommissar Leo Wechsler muss am Tatort erkennen, dass es sich bei der Toten um seine ehemalige Geliebte Marlen Dornow handelt, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Er erzählt niemandem von seiner Verbindung zu der Toten, auch nicht seiner Frau Clara, sondern stürzt sich verbissen in die Ermittlungen. Wie sich herausstellt, hatte Marlen sich von wohlhabenden Männern aushalten lassen, zuletzt von einem Politiker, der ein enger Mitarbeiter des Außenministers Gustav Stresemann ist. Kurze Zeit später gibt es einen zweiten Toten: Viktor König, der gefeierte Filmregisseur, wurde ebenfalls mit einer roten Glasscherbe erstochen …
Note 2: Die Autorin Susanne Goga hat mit Leo Wechsler einen Protagonisten kreiert, dem es einfach Spaß macht zu folgen. Im mittlerweile vierten Band dieser sympathischen Reihe scheint er mit Clara und den Kindern seine innere Mitte gefunden zu haben. Es läuft gut für ihn – beruflich wie privat. Dann wird er zu einem Mordfall gerufen, der ihn völlig aus der Bahn wirft. Denn er kennt die Tote, sogar besser als im jetzt lieb ist. Es fällt ihm schwer, diesen Fall neutral zu behandeln … er ist befangen und wütend, eine gefährliche Mischung. Von Albträumen verfolgt hat er das Gefühl auf einem Pulverfass zu sitzen. Kann das gut gehen?
Susanne Goga hat einfach eine unheimlich leichte Art ihre Leser zu fesseln, die Seiten scheinen sich wie von selbst umzublättern. Wie musste ich schmunzeln als die drei Kollegen abends im Club den Untergang des „Kaninchen aus dem Hut zaubernden“ Darstellers verfolgten. Doch genauso habe ich mit Clara gelitten, als sie eine Hiobsbotschaft von ihrer Ärztin bekam. Ich freue mich, das Leben dieser liebenswerten Protagonisten bald weiterverfolgen zu dürfen, denn die nächsten beiden Bände der Reihe warten schon auf mich.
Manchmal ist es ja nicht einfach nicht zu vergleichen, diesmal war es sogar besonders schwer, denn ich hatte vor gar nicht langer Zeit den neuesten Roman „Marlow“ von Volker Kutscher gelesen. Dieser Roman spielt ebenfalls im historischen Berlin, allerdings 10 Jahre später … aber das wäre unfair. Ich glaube, die beiden Autoren spielen in unterschiedlichen Ligen aber jeder ist auf seine Art ein Star.
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05. Der unausweichliche Tag von Rose Tremain (02/2011)
Anthony Verey, Mitte 60, früher der bekannteste Antiquitätenhändler Londons, spürt, dass es vorbei ist, sein glamouröses Leben. In Frankreich, in der kargen Landschaft der Cevennen, wo seine Schwester Veronica mit ihrer Geliebten Kitty lebt, möchte er ein Haus kaufen, „bevor es zu spät ist“. Die eifersüchtige Kitty ist mit Anthonys Aufenthalt jedoch völlig überfordert. Bei Veronica hingegen löst der Bruder aufs neue Beschützerinstinkte aus, aber auch Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Als sich Anthony für das einsame, heruntergekommene Anwesen der Geschwister Aramon und Audrun Lunel interessiert, werden diese von ihrer gewalttätigen Familiengeschichte eingeholt, und Audrun sinnt auf Rache für einen Verrat, der ihr ganzes Leben vergiftet hat. Da macht ein kleines Mädchen, während eines Schulausflugs, eine grausige Entdeckung.
Note 1-2: Ich muss sagen, die Bücher dieser Autorin sind bisher an mir vorbei gegangen. Definitiv zu Unrecht, wie ich finde. Die Geschichte beginnt gleich mit einem Knall bzw. der Entdeckung einer Leiche durch das arme kleine Mädchen Melody, die von ihren Eltern aus Paris in die Provinz Frankreichs „verschleppt“ wurde und sehr darunter zu leiden hat. Sie hat jedoch Glück im Unglück und stößt auf eine recht verständnisvolle Lehrerin, die Tochter der Freundin von Audrun, die mit ihrem Bruder Aramon ganz in der Nähe wohnt. Das Schicksal will es, dass deren Leben mit dem Leben des Antiquitätenhändlers Anthony Verey verknüpft werden und so beginnt sich der Kreis zu schließen und die Schlinge zieht sich fester zu …
Wer sich bei dieser Geschichte einen rasanten Thriller gewünscht hat, der wird enttäuscht sein. Wer jedoch auf ein feingesponnenes Netz von Intrigen – in Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen - hofft, dem sein hier geholfen. Ich habe mich jedenfalls bestens unterhalten gefühlt. Zudem kam ich nicht umhin, mich bei den Gedankengängen Anthonys oft an die Sendung „Bares für Rares“ erinnert gefühlt zu haben. Das brachte mich doch des Öfteren zum Schmunzeln. Ich denke, ich werde mir diese Autorin mal etwas genauer vornehmen. Ihr Schreibstil hat mir gut gefallen.
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06. Das Ende meiner Welt von Charity Norman (02/2018)
"Holzhütten liegen verträumt im Sonnenschein, Ziegen weiden am Ufer eines plätschernden Sees. Nicht ein einziger von Menschen gemachter Laut ist zu hören, nur das ferne Glucksen eines Flusses, das Trillern und Pfeifen von Vögeln.
Ein Paradies.
Oder auch nicht."
Es sollte nur eine kurze Auszeit in Neuseeland sein. Doch dann entdeckt die Studentin Cassy das Paradies auf Erden: ein idyllisches Tal am Lake Tarawera, weitab jeder Zivilisation. Hier führen die Menschen ein friedliches und nachhaltiges Leben, und alle sind zutiefst glücklich. Cassy lässt sich immer mehr auf die Gemeinschaft ein und entfernt sich dabei Stück für Stück von ihrer Vergangenheit. Als ihre Familie bemerkt, dass sie Cassy an eine zerstörerische Sekte zu verlieren droht, ist es bereits zu spät …
Note 1: WOW!!! Während das Thema an sich ja schon eine spannende Lektüre verspricht, schafft es die bemerkenswerte Autorin Charity Norman aus der Geschichte ein Buch zu stricken, das sich kaum zur Seite legen lässt. Auf eine besonders trickreiche und im Nachhinein betrachtet außerordentlich heimtückische Weise gerät die junge Cassy während einer Urlaubsreise, die sie zusammen mit ihrem Freund unternimmt, in die Fänge einer sogenannten Lebensgemeinschaft. Wie der Klappentext beschreibt, scheint es sich hier um das große Idyll schlechthin zu handeln. Anders als in anderen Sekten wie z. B. der Colonia Dignidad, gibt es keine Gewalt, sondern nur Harmonie und Liebe. Beim Lesen ertappte ich mich dabei, wie ich mich wohl als junges Mädchen dem gegenüber verhalten hätte? Wäre ich der Versuchung erlegen? Man kommt beim Lesen der Geschichte nicht umhin mit beiden Seiten zu sympathisieren. Sehr leid tat mir letztlich jedoch Cassys Familie, die in der fernen Heimat an den Geschehnissen zu zerbrechen droht ...
Mit „Das Ende meiner Welt“ habe ich für mich mal wieder ein Buch mit Suchteffekt gefunden … bitte schnell mehr von dieser talentierten Autorin!
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07. Das Herrenhaus im Moor von Felicity Whitmore (11/2018)
Ein verfallenes Herrenhaus wird für Laura Milton zum Schlüssel in die Vergangenheit. Denn das Schicksal der Lady Victoria Milton wirft seine Schatten bis in die Gegenwart ... Exmoor, gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Die 20-jährige Victoria wird bald ein ansehnliches Vermögen erben. Doch ihr Vormund Richard hat seine eigenen Pläne mit ihrem Geld und verbannt sie in eine Anstalt für Geisteskranke – aus der Arthur, einer von Richards Bediensteten, ihr zur Flucht verhilft. Als sich Victoria, fest entschlossen, ihr Erbe wiederzuerlangen, nach Jahren aus der Deckung wagt, ist ihr Schicksal besiegelt.
Note 2-3: Gleich zu Anfang des Buchs widerfährt der Gegenwartsprotagonistin Laura etwas Schreckliches. Sie trennt sich von ihrem Mann im Streit, ohne dass sie sich je wieder mit ihm versöhnen kann, denn er verunglückt gleich danach tödlich. Nach anfänglicher Sprachlosigkeit vermutet sie, dass mehr als ein Zufall dahinterstecken muss und so macht sich auf die Suche nach seiner immer verschwiegenen Vergangenheit. Bei ihrer Suche stößt sie auf Dokumente, die den früheren Aufenthaltsort ihres Mannes verraten. Als sie jedoch in England ankommt, stößt sie auf feindselige Blicke und stumme Münder nachdem sie sich zu erkennen gibt.
In Verbindung mit einem alten Herrenhaus reisen wir als Leser mit jedem zweiten Kapitel in die Vergangenheit, wo wir Lady Victoria Milton begegnen, einer einst glücklichen jungen Frau, die zwischen die Machenschaften ihres Vormunds gerät und dafür mit ihrem Leben bezahlen muss ….
Geschickt jongliert die Autorin hier mit den beiden Zeitebenen und zieht den Leser dadurch in den Bann. Die anschaulichen Landschaftsbeschreibungen in Gegenwart und Vergangenheit gleichermaßen erzeugen eine gekonnte schaurige Stimmung.
Was mich jedoch mit der Zeit anstrengte war die Lauras Naivität Sie benahm sich zeitweise wie ein naives Kind, wenn sie mal wieder allein, ohne Proviant und ohne Nachzudenken durch die Wildnis stolperte. Etwas erschwerend dazu kam ihre scheinbare Fähigkeit sich von einem Moment zum nächsten unsterblich zu verlieben. Schlussendlich aber ließ mich der leicht überspitzte Schluss einen kleinen Stern abziehen.
Grundsätzlich aber ist „Das Herrenhaus im Moor“ ein Schmöker, der einem einen verregneten Sonntag auf der Couch durchaus versüßen kann.
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08. Nacht über Tanger von Christine Mangan (08/2018)
Tanger 1956: Alice Shipley ist ihrem Mann John von England in das von politischen Unruhen aufgeheizte Marokko gefolgt. Doch die Hitze und die fremde Kultur machen es Alice schwer; während John sich immer mehr ins Nachtleben der pulsierenden Stadt stürzt und kaum mehr zu Hause ist, verkriecht sich Alice in der gemeinsamen Wohnung, gleitet in eine Depression. Da steht eines Tages Lucy Mason vor ihrer Tür, Alice' Zimmergenossin und Freundin aus Collegezeiten in Vermont, die sie seit einem mysteriösen Unfall ein Jahr zuvor nicht mehr gesehen hat.
Die unabhängige und furchtlose Lucy entdeckt Tanger schnell für sich und versucht Alice aus ihrer Isolation zu befreien. Doch Alice beschleicht bald das ihr nur allzu vertraute Gefühl, von Lucys Fürsorge kontrolliert und erstickt zu werden. Als John plötzlich verschwindet, wird Alice von dem Unfall in Vermont eingeholt und sie fängt an, an Lucys Vertrauenswürdigkeit und ihrem eigenen Verstand zu zweifeln ...
Ein vielschichtiger, spannender, psychologisch tiefgründiger Roman, erzählt aus zwei Ich-Perspektiven, die den Leser bestricken und verstricken in eine komplexe Freundschaft, in der die Grenzen zwischen Gut und Böse, Normalität und Wahnsinn fließend sind.
Note 3: Beim Lesen versuchte ich mich daran zu erinnern, an wen oder was mich das Buch erinnert … schnell kam ich drauf: „Der talentierte Mr. Ripley“ erfunden von einer meiner Lieblingsschriftstellerinnen, der außergewöhnlichen Patricia Highsmith. Alles passt, auch dieses Buch hier spielt Mitte der 50er Jahre, wenn auch in Marokko statt in Italien. Auch hier versucht Lucy Mason eine Person zu beeinflussen und zu verwirren bis sie nicht mehr weiß, was wahr und was erfunden ist. Dennoch war ich enttäuscht, denn Christine Mangan kann Ms. Highsmith leider nicht das Wasser reichen. Während mir ihre atmosphärischen Beschreibungen vom wüstenheißen Tanger sehr gut gefallen, bleiben ihre Figuren blass. Was hätte man z. B. aus Lucys Verbündeten Youssef, dem Herrn mit dem lila Band am Hut, alles machen können!
Vielleicht habe ich die Messlatte zu hoch angesetzt, aber für mich ist „Nacht über Tanger“ leider nur ein Roman der Mittelklasse.
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09. Tage des Monsuns von Laila El Omari (04/2008)
1875: Inmitten der üppigen Schönheit Südindiens lebt Katrina Alardyce nach einer skandalösen Scheidung zurückgezogen bei ihrem Bruder. Der damit verbundenen Unmündigkeit hofft sie durch eine Vernunftehe mit dem undurchsichtigen Aidan Landor zu entkommen. Mit ihrer Mitgift erwirbt er eine Teeplantage in den fruchtbaren Bergen von Nilgiri. Doch es ist überwiegend Katrina, die sich den Teegärten widmet, denn Aidan verschwindet immer wieder unter fadenscheinigen Begründungen. Mehr und mehr wird Katrina bewusst, dass sie kaum etwas von ihrem Mann weiß, an den sie mittlerweile mehr als nur Vernunft bindet …
Note 2: Mit ihrem Roman „Tage des Monsuns“ brachte mich die Autorin Laila El Omari an einen meiner fiktiven Lieblingsschauplätze – Indien. Er spielt Ende des 19en Jahrhunderts und porträtiert die indische Besatzungszeit durch die Briten in einer fast magischen Weise. Durch die Augen von Katrina und Aidan aber auch durch die, der weiteren Charaktere kann man sie fast selbst sehen und spüren … die Kühle der Nilgiri Berge (blaue Berge), die wegen des milden Klimas von den Briten als Sommerfrische entdeckt wurden, an denen sie der Hitze des Flachlandes entfliehen konnten. Aber auch die flirrende Hitze in Kalkutta blieb mir nicht erspart. Es hat mich beeindruckt und auch erschreckt, wie die Frauen zu damaliger Zeit auf der einen Seite sehr viel Einfluss auf die Männerwelt hatten und auf der anderen Seite von der Gesellschaft bei Nichtgefallen verbannt wurden. Mit jedem Kapitel habe ich mitgelitten und freute mich über ein freies Wochenende, sodass ich die gut vierhundert Seiten in einem Rutsch durchlesen konnte. Laila El Omari, den Namen muss ich mir merken!
01. Die Töchter der Beginen von Gudrun Krohne (08/2018)
Magdeburg im Pestjahr 1350; die wenige Tage alte Hildegard wird vor dem Tor des Beginenkonvents am Ulrichstor abgelegt und wächst dort behütet und geliebt auf. Doch damit ist es siebzehn Jahre später vorbei. Ein Halbohr ist ihr auf den Fersen, bedroht Hildegards Leben und das aller Beginen. Als Retter ist stets ein rätselhafter Pilger zur Stelle. Oder führt er doch Übles im Schilde? Und auch die junge Anna, ein schmutziges, verlaustes Ding, Tochter einer schweifenden Begine, schleppt ein dunkles Geheimnis mit sich herum.
Gut das Ratsmann Peter Honstein seine schützende Hand über die Beginen hält und auch Witho mit seiner Bande jugendlicher Beutelschneider ein wachsames Auge auf Hildegard hat.
Doch mit der abgrundtiefen Bosheit des Halbohrs und seines Kumpans hat niemand gerechnet. Und schon bald gilt es das Leben.
Note 3: Es muss schon ein hartes Leben im Mittelalter gewesen sein. Desaströs, wenn man in die Armut hinein geboren wurde aber auch nicht gerade luxuriös im Reichtum, wenn man heutige Maßstäbe anlegt. Aber genau das soll man sicher nicht tun, denn was man nicht hat, kann man ja bekanntlich auch nicht vermissen.
Zu Anfang des Buchs war ich begeistert, mit welcher Liebe zum Detail die Autorin Gudrun Krohne dem Leser das tägliche Leben im 14. Jahrhundert nahebringt. Eingehend beschreibt sie die Kleidung, Nahrungszubereitung, Gerüche und Geräusche im Magdeburg der damaligen Zeit. Aber genau diese Detailverliebtheit ging mir ab der Hälfte ein wenig auf die Nerven. Die Geschichte an sich dagegen liest sich flüssig und endet mit einem schlüssigen Ende. Den eigentlichen Sterneabzug und damit leider nur eine Note im mittleren Bereich erhält die Autorin, bzw. ihr Lektorat, für das mangelhafte Korrekturlesen. Eigentlich hätte ich das Buch beim Aufklappen beinah wieder zugeklappt. Gleich auf der ersten Seite prangt ein fetter Fehler: Die Töchter der Beginen – ein hitorischer Roman. Wirklich schade, denn darauf hin werde ich mir den Nachfolgeband leider verkneifen.
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02. Die verlorene Schwester von Linda Winterberg (11/2018)
Bern, 1968: Nach dem Tod des Vaters werden die Schwestern Marie und Lena der kranken Mutter von der Fürsorge entrissen. Die Mädchen werden getrennt und an Pflegefamilien „verdingt“, bei denen sie schwer arbeiten müssen. Als eine der beiden schwanger wird, soll ihr das Baby weggenommen zu werden. Doch sie will die Hoffnung nicht aufgeben, mit ihrem Kind in Freiheit zu leben – und auch ihre Schwester wiederzufinden. Jahre später zeigt sich eine Spur, die nach Deutschland führt.
Note 3: Ich kann es gar nicht glauben, dass dieses Buch aus der Feder der gleichen Autorin stammt, die das wunderbare Buch „Solang die Hoffnung uns gehört“ geschrieben hat, welches bei mir seinerzeit eine Topbewertung erhalten hatte. Ich hatte mich sehr auf ihr neuestes Werk gefreut. Ein Werk, welches ein dunkles Kapitel der Geschichte beleuchtet und ein Thema, das erschreckenderweise noch gar nicht so lange zurück liegt. Ich hatte zu den sogenannten Verdingkindern schon einige Berichte gelesen und war nun sehr gespannt, wie Linda Winterberg diese erschütternden Vorkommnisse in einem Roman verarbeiten würde. Umso enttäuschter war ich feststellen zu müssen, dass sie das leider auf recht vorhersehbare und leicht kitschige Art tat, dazu in recht einfacher Sprache geschrieben. Da es sich dennoch flüssig lesen ließ, vergebe ich eine Note im mittleren Bereich. Eine wirkliche Leseempfehlung möchte ich jedoch nicht aussprechen. In mir weckte der Roman nicht wirklich viel Empathie. Schade, hier hätte man viel mehr daraus machen können.
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03. Piccoli Sicilia von Daniel Speck (10/2018)
Was, wenn deine Familie in Wahrheit eine andere ist?
'Piccola Sicilia', das italienische Viertel der farbenfrohen Mittelmeerstadt Tunis, 1942. Drei Religionen leben in guter Nachbarschaft zusammen. Bis der Krieg das Land erreicht. Im Grand Hotel Majestic begegnet der deutsche Fotograf Moritz dem jüdischen Zimmermädchen Yasmina. Doch sie hat nur Augen für Victor, den Pianisten. Als Victors Leben auf dem Spiel steht, kann allein Moritz ihn retten.
Sizilien, heute: das Mittelmeer, glitzerndes Blau. Schatztaucher ziehen ein altes Flugzeugwrack aus der Tiefe. Die Berliner Archäologin Nina sucht ihren verschollenen Großvater Moritz und trifft eine unbekannte Verwandte aus Haifa, die ihr Leben auf den Kopf stellt. Gemeinsam enthüllen sie ein faszinierendes Familiengeheimnis.
Drei Frauen aus drei Ländern und drei Kulturen – verbunden durch eine Liebe, die alle Grenzen überwindet. Inspiriert von einer wahren Geschichte.
Note 1: Ich gebe zu, ich war ein wenig skeptisch, ob es dem Autor gelingen würde, mich mit seiner neuen Familiengeschichte zu überzeugen. Meine Zweifel waren vollkommen unbegründet, Ich liebe dieses Buch!
Daniel Speck hat mit seinem Roman, der zwar auf zwei Zeitebenen, jedoch hauptsächlich in der Vergangenheit spielt, eine ganz wunderbare Atmosphäre in der mediterranen Stadt Tunis der frühen 40er Jahre geschaffen. Er zeigt, dass es damals durchaus möglich war, in einer multikulturellen Gemeinschaft zu leben, gemeinsam zu lachen und zu weinen, sich gegenseitig zu helfen und füreinander da zu sein. Erst der ausbrechende Krieg, der auch vor den Toren Nordafrikas nicht halt machte, säte Missgunst und brachte eine Unruhe in das Leben der an sich friedliebenden Einwohner, die genau diese Gemeinschaft zerstörte.
Als Leser dürfen wir die jüdische Familie Sarfati mit dem Familienoberhaupt Dottore Albert Sarfati, seiner Frau Mimi, deren Sohn Victor und die adoptierte Yasmina kennenlernen. Was anfangs so harmonisch begann wird zu Nichte gemacht als Yasmina sich in ihren charismatischen Adoptivbruder verliebt. Den Höhepunkt aber erreicht die Geschichte als der deutsche Fotograf und Soldat Moritz ins Spiel kommt. Yasmina ist nach wie vor besessen von Victor, doch bald wird nichts mehr so sein wie es mal war.
In der Gegenwart lernen wir Nina kennen, die auf der Suche nach ihrem Großvater nach Sizilien gekommen ist. Her lernt sie Joelle kennen, die von sich behauptet seine Tochter zu sein. Nach und nach, mit immer wieder ausbrechenden Zweifeln, wird das Deckmäntelchen der Geschichte gehoben und Nina muss sich fragen, wer er denn nun wirklich war, ihr Großvater, der drei Generationen ihrer eigenen Familie unglücklich gemacht hat.
Meiner Ansicht nach ist der Roman sehr stimmig, bildhaft und teilweise richtig spannend geschrieben. Sehr gut gemacht, lieber Daniel Speck!
Auf Seite 536 finden sich Auszüge dieses wunderbaren Gedichts, dass ich hier – auch zum besseren Verständnis – gerne mit aufführen möchte. Mich hat es fast zu Tränen gerührt.
Eure Kinder
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ihr dürft ihnen eure Liebe geben,
aber nicht eure Gedanken,
Denn sie haben ihre eigenen Gedanken.
Ihr dürft ihren Körpern ein Haus geben,
aber nicht ihren Seelen,
Denn ihre Seelen wohnen im Haus von morgen,
das ihr nicht besuchen könnt,
nicht einmal in euren Träumen.
Ihr dürft euch bemühen, wie sie zu sein,
aber versucht nicht, sie euch ähnlich zu machen.
Denn das Leben läuft nicht rückwärts
noch verweilt es im Gestern.
Ihr seid die Bogen, von denen eure Kinder
als lebende Pfeile ausgeschickt werden.
Der Schütze sieht das Ziel auf dem Pfad der Unendlichkeit,
und er spannt euch mit seiner Macht,
damit seine Pfeile schnell und weit fliegen.
Laßt eure Bogen von er Hand des Schützen auf Freude gerichtet sein;
Denn so wie er den Pfeil liebt, der fliegt, so liebt er auch den Bogen, der fest ist.
Khalil Gibran
(* 06.01.1883, † 10.04.1931)
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04. Mord in Babelsberg von Susanne Goga (02/2014)
Berlin 1926. Im Hof einer eleganten Wohnanlage in Kreuzberg wird die Leiche einer Frau entdeckt, die mit einer Scherbe aus rotem Glas erstochen wurde. Kommissar Leo Wechsler muss am Tatort erkennen, dass es sich bei der Toten um seine ehemalige Geliebte Marlen Dornow handelt, die er seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Er erzählt niemandem von seiner Verbindung zu der Toten, auch nicht seiner Frau Clara, sondern stürzt sich verbissen in die Ermittlungen. Wie sich herausstellt, hatte Marlen sich von wohlhabenden Männern aushalten lassen, zuletzt von einem Politiker, der ein enger Mitarbeiter des Außenministers Gustav Stresemann ist. Kurze Zeit später gibt es einen zweiten Toten: Viktor König, der gefeierte Filmregisseur, wurde ebenfalls mit einer roten Glasscherbe erstochen …
Note 2: Die Autorin Susanne Goga hat mit Leo Wechsler einen Protagonisten kreiert, dem es einfach Spaß macht zu folgen. Im mittlerweile vierten Band dieser sympathischen Reihe scheint er mit Clara und den Kindern seine innere Mitte gefunden zu haben. Es läuft gut für ihn – beruflich wie privat. Dann wird er zu einem Mordfall gerufen, der ihn völlig aus der Bahn wirft. Denn er kennt die Tote, sogar besser als im jetzt lieb ist. Es fällt ihm schwer, diesen Fall neutral zu behandeln … er ist befangen und wütend, eine gefährliche Mischung. Von Albträumen verfolgt hat er das Gefühl auf einem Pulverfass zu sitzen. Kann das gut gehen?
Susanne Goga hat einfach eine unheimlich leichte Art ihre Leser zu fesseln, die Seiten scheinen sich wie von selbst umzublättern. Wie musste ich schmunzeln als die drei Kollegen abends im Club den Untergang des „Kaninchen aus dem Hut zaubernden“ Darstellers verfolgten. Doch genauso habe ich mit Clara gelitten, als sie eine Hiobsbotschaft von ihrer Ärztin bekam. Ich freue mich, das Leben dieser liebenswerten Protagonisten bald weiterverfolgen zu dürfen, denn die nächsten beiden Bände der Reihe warten schon auf mich.
Manchmal ist es ja nicht einfach nicht zu vergleichen, diesmal war es sogar besonders schwer, denn ich hatte vor gar nicht langer Zeit den neuesten Roman „Marlow“ von Volker Kutscher gelesen. Dieser Roman spielt ebenfalls im historischen Berlin, allerdings 10 Jahre später … aber das wäre unfair. Ich glaube, die beiden Autoren spielen in unterschiedlichen Ligen aber jeder ist auf seine Art ein Star.
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05. Der unausweichliche Tag von Rose Tremain (02/2011)
Anthony Verey, Mitte 60, früher der bekannteste Antiquitätenhändler Londons, spürt, dass es vorbei ist, sein glamouröses Leben. In Frankreich, in der kargen Landschaft der Cevennen, wo seine Schwester Veronica mit ihrer Geliebten Kitty lebt, möchte er ein Haus kaufen, „bevor es zu spät ist“. Die eifersüchtige Kitty ist mit Anthonys Aufenthalt jedoch völlig überfordert. Bei Veronica hingegen löst der Bruder aufs neue Beschützerinstinkte aus, aber auch Erinnerungen an die gemeinsame Kindheit, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Als sich Anthony für das einsame, heruntergekommene Anwesen der Geschwister Aramon und Audrun Lunel interessiert, werden diese von ihrer gewalttätigen Familiengeschichte eingeholt, und Audrun sinnt auf Rache für einen Verrat, der ihr ganzes Leben vergiftet hat. Da macht ein kleines Mädchen, während eines Schulausflugs, eine grausige Entdeckung.
Note 1-2: Ich muss sagen, die Bücher dieser Autorin sind bisher an mir vorbei gegangen. Definitiv zu Unrecht, wie ich finde. Die Geschichte beginnt gleich mit einem Knall bzw. der Entdeckung einer Leiche durch das arme kleine Mädchen Melody, die von ihren Eltern aus Paris in die Provinz Frankreichs „verschleppt“ wurde und sehr darunter zu leiden hat. Sie hat jedoch Glück im Unglück und stößt auf eine recht verständnisvolle Lehrerin, die Tochter der Freundin von Audrun, die mit ihrem Bruder Aramon ganz in der Nähe wohnt. Das Schicksal will es, dass deren Leben mit dem Leben des Antiquitätenhändlers Anthony Verey verknüpft werden und so beginnt sich der Kreis zu schließen und die Schlinge zieht sich fester zu …
Wer sich bei dieser Geschichte einen rasanten Thriller gewünscht hat, der wird enttäuscht sein. Wer jedoch auf ein feingesponnenes Netz von Intrigen – in Vergangenheit und Gegenwart gleichermaßen - hofft, dem sein hier geholfen. Ich habe mich jedenfalls bestens unterhalten gefühlt. Zudem kam ich nicht umhin, mich bei den Gedankengängen Anthonys oft an die Sendung „Bares für Rares“ erinnert gefühlt zu haben. Das brachte mich doch des Öfteren zum Schmunzeln. Ich denke, ich werde mir diese Autorin mal etwas genauer vornehmen. Ihr Schreibstil hat mir gut gefallen.
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06. Das Ende meiner Welt von Charity Norman (02/2018)
"Holzhütten liegen verträumt im Sonnenschein, Ziegen weiden am Ufer eines plätschernden Sees. Nicht ein einziger von Menschen gemachter Laut ist zu hören, nur das ferne Glucksen eines Flusses, das Trillern und Pfeifen von Vögeln.
Ein Paradies.
Oder auch nicht."
Es sollte nur eine kurze Auszeit in Neuseeland sein. Doch dann entdeckt die Studentin Cassy das Paradies auf Erden: ein idyllisches Tal am Lake Tarawera, weitab jeder Zivilisation. Hier führen die Menschen ein friedliches und nachhaltiges Leben, und alle sind zutiefst glücklich. Cassy lässt sich immer mehr auf die Gemeinschaft ein und entfernt sich dabei Stück für Stück von ihrer Vergangenheit. Als ihre Familie bemerkt, dass sie Cassy an eine zerstörerische Sekte zu verlieren droht, ist es bereits zu spät …
Note 1: WOW!!! Während das Thema an sich ja schon eine spannende Lektüre verspricht, schafft es die bemerkenswerte Autorin Charity Norman aus der Geschichte ein Buch zu stricken, das sich kaum zur Seite legen lässt. Auf eine besonders trickreiche und im Nachhinein betrachtet außerordentlich heimtückische Weise gerät die junge Cassy während einer Urlaubsreise, die sie zusammen mit ihrem Freund unternimmt, in die Fänge einer sogenannten Lebensgemeinschaft. Wie der Klappentext beschreibt, scheint es sich hier um das große Idyll schlechthin zu handeln. Anders als in anderen Sekten wie z. B. der Colonia Dignidad, gibt es keine Gewalt, sondern nur Harmonie und Liebe. Beim Lesen ertappte ich mich dabei, wie ich mich wohl als junges Mädchen dem gegenüber verhalten hätte? Wäre ich der Versuchung erlegen? Man kommt beim Lesen der Geschichte nicht umhin mit beiden Seiten zu sympathisieren. Sehr leid tat mir letztlich jedoch Cassys Familie, die in der fernen Heimat an den Geschehnissen zu zerbrechen droht ...
Mit „Das Ende meiner Welt“ habe ich für mich mal wieder ein Buch mit Suchteffekt gefunden … bitte schnell mehr von dieser talentierten Autorin!
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07. Das Herrenhaus im Moor von Felicity Whitmore (11/2018)
Ein verfallenes Herrenhaus wird für Laura Milton zum Schlüssel in die Vergangenheit. Denn das Schicksal der Lady Victoria Milton wirft seine Schatten bis in die Gegenwart ... Exmoor, gegen Ende des 19. Jahrhunderts: Die 20-jährige Victoria wird bald ein ansehnliches Vermögen erben. Doch ihr Vormund Richard hat seine eigenen Pläne mit ihrem Geld und verbannt sie in eine Anstalt für Geisteskranke – aus der Arthur, einer von Richards Bediensteten, ihr zur Flucht verhilft. Als sich Victoria, fest entschlossen, ihr Erbe wiederzuerlangen, nach Jahren aus der Deckung wagt, ist ihr Schicksal besiegelt.
Note 2-3: Gleich zu Anfang des Buchs widerfährt der Gegenwartsprotagonistin Laura etwas Schreckliches. Sie trennt sich von ihrem Mann im Streit, ohne dass sie sich je wieder mit ihm versöhnen kann, denn er verunglückt gleich danach tödlich. Nach anfänglicher Sprachlosigkeit vermutet sie, dass mehr als ein Zufall dahinterstecken muss und so macht sich auf die Suche nach seiner immer verschwiegenen Vergangenheit. Bei ihrer Suche stößt sie auf Dokumente, die den früheren Aufenthaltsort ihres Mannes verraten. Als sie jedoch in England ankommt, stößt sie auf feindselige Blicke und stumme Münder nachdem sie sich zu erkennen gibt.
In Verbindung mit einem alten Herrenhaus reisen wir als Leser mit jedem zweiten Kapitel in die Vergangenheit, wo wir Lady Victoria Milton begegnen, einer einst glücklichen jungen Frau, die zwischen die Machenschaften ihres Vormunds gerät und dafür mit ihrem Leben bezahlen muss ….
Geschickt jongliert die Autorin hier mit den beiden Zeitebenen und zieht den Leser dadurch in den Bann. Die anschaulichen Landschaftsbeschreibungen in Gegenwart und Vergangenheit gleichermaßen erzeugen eine gekonnte schaurige Stimmung.
Was mich jedoch mit der Zeit anstrengte war die Lauras Naivität Sie benahm sich zeitweise wie ein naives Kind, wenn sie mal wieder allein, ohne Proviant und ohne Nachzudenken durch die Wildnis stolperte. Etwas erschwerend dazu kam ihre scheinbare Fähigkeit sich von einem Moment zum nächsten unsterblich zu verlieben. Schlussendlich aber ließ mich der leicht überspitzte Schluss einen kleinen Stern abziehen.
Grundsätzlich aber ist „Das Herrenhaus im Moor“ ein Schmöker, der einem einen verregneten Sonntag auf der Couch durchaus versüßen kann.
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08. Nacht über Tanger von Christine Mangan (08/2018)
Tanger 1956: Alice Shipley ist ihrem Mann John von England in das von politischen Unruhen aufgeheizte Marokko gefolgt. Doch die Hitze und die fremde Kultur machen es Alice schwer; während John sich immer mehr ins Nachtleben der pulsierenden Stadt stürzt und kaum mehr zu Hause ist, verkriecht sich Alice in der gemeinsamen Wohnung, gleitet in eine Depression. Da steht eines Tages Lucy Mason vor ihrer Tür, Alice' Zimmergenossin und Freundin aus Collegezeiten in Vermont, die sie seit einem mysteriösen Unfall ein Jahr zuvor nicht mehr gesehen hat.
Die unabhängige und furchtlose Lucy entdeckt Tanger schnell für sich und versucht Alice aus ihrer Isolation zu befreien. Doch Alice beschleicht bald das ihr nur allzu vertraute Gefühl, von Lucys Fürsorge kontrolliert und erstickt zu werden. Als John plötzlich verschwindet, wird Alice von dem Unfall in Vermont eingeholt und sie fängt an, an Lucys Vertrauenswürdigkeit und ihrem eigenen Verstand zu zweifeln ...
Ein vielschichtiger, spannender, psychologisch tiefgründiger Roman, erzählt aus zwei Ich-Perspektiven, die den Leser bestricken und verstricken in eine komplexe Freundschaft, in der die Grenzen zwischen Gut und Böse, Normalität und Wahnsinn fließend sind.
Note 3: Beim Lesen versuchte ich mich daran zu erinnern, an wen oder was mich das Buch erinnert … schnell kam ich drauf: „Der talentierte Mr. Ripley“ erfunden von einer meiner Lieblingsschriftstellerinnen, der außergewöhnlichen Patricia Highsmith. Alles passt, auch dieses Buch hier spielt Mitte der 50er Jahre, wenn auch in Marokko statt in Italien. Auch hier versucht Lucy Mason eine Person zu beeinflussen und zu verwirren bis sie nicht mehr weiß, was wahr und was erfunden ist. Dennoch war ich enttäuscht, denn Christine Mangan kann Ms. Highsmith leider nicht das Wasser reichen. Während mir ihre atmosphärischen Beschreibungen vom wüstenheißen Tanger sehr gut gefallen, bleiben ihre Figuren blass. Was hätte man z. B. aus Lucys Verbündeten Youssef, dem Herrn mit dem lila Band am Hut, alles machen können!
Vielleicht habe ich die Messlatte zu hoch angesetzt, aber für mich ist „Nacht über Tanger“ leider nur ein Roman der Mittelklasse.
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09. Tage des Monsuns von Laila El Omari (04/2008)
1875: Inmitten der üppigen Schönheit Südindiens lebt Katrina Alardyce nach einer skandalösen Scheidung zurückgezogen bei ihrem Bruder. Der damit verbundenen Unmündigkeit hofft sie durch eine Vernunftehe mit dem undurchsichtigen Aidan Landor zu entkommen. Mit ihrer Mitgift erwirbt er eine Teeplantage in den fruchtbaren Bergen von Nilgiri. Doch es ist überwiegend Katrina, die sich den Teegärten widmet, denn Aidan verschwindet immer wieder unter fadenscheinigen Begründungen. Mehr und mehr wird Katrina bewusst, dass sie kaum etwas von ihrem Mann weiß, an den sie mittlerweile mehr als nur Vernunft bindet …
Note 2: Mit ihrem Roman „Tage des Monsuns“ brachte mich die Autorin Laila El Omari an einen meiner fiktiven Lieblingsschauplätze – Indien. Er spielt Ende des 19en Jahrhunderts und porträtiert die indische Besatzungszeit durch die Briten in einer fast magischen Weise. Durch die Augen von Katrina und Aidan aber auch durch die, der weiteren Charaktere kann man sie fast selbst sehen und spüren … die Kühle der Nilgiri Berge (blaue Berge), die wegen des milden Klimas von den Briten als Sommerfrische entdeckt wurden, an denen sie der Hitze des Flachlandes entfliehen konnten. Aber auch die flirrende Hitze in Kalkutta blieb mir nicht erspart. Es hat mich beeindruckt und auch erschreckt, wie die Frauen zu damaliger Zeit auf der einen Seite sehr viel Einfluss auf die Männerwelt hatten und auf der anderen Seite von der Gesellschaft bei Nichtgefallen verbannt wurden. Mit jedem Kapitel habe ich mitgelitten und freute mich über ein freies Wochenende, sodass ich die gut vierhundert Seiten in einem Rutsch durchlesen konnte. Laila El Omari, den Namen muss ich mir merken!